Studentischer Kampf gegen Rassismus

Zehn Studierende haben mit der Initiative Intersektionales Lehramt Rassismus an der FU den Kampf angesagt. Clara Baldus hat mit ihnen über Diskriminierungserfahrungen und strukturelle Probleme gesprochen.

Die Initiative hat einen offenen Brief an die Freie Universität geschrieben. Foto: Clara Baldus

Die „Initiative Intersektionales Lehramt” hat es sich zum Ziel gesetzt, Rassismus und intersektionaler Diskriminierung an der FU entgegenzuwirken. Seit Februar diesen Jahres ist sie auf Twitter aktiv und zählt bereits über 800 Follower. Die Studierenden prangern rassistisches Verhalten öffentlich an und bieten Betroffenen ein Sprachrohr. 

Vor einigen Wochen haben sie einen offenen Brief an die Freie Universität verfasst. Darin schildern sie konkrete Diskriminierungserfahrungen. Zum Beispiel soll ein Dozent in einem Seminar mehrfach das „N-Wort” verwendet haben. Außerdem stellen sie Forderungen zur Eindämmung von Rassismus. Für FURIOS haben Olga und Dillan, zwei Mitbegründer*innen der Initiative, von den Missständen in ihrem Studium berichtet. 

FURIOS: Wer steckt hinter der Initiative Intersektionales Lehramt?

Dillan: Wir sind ein Zusammenschluss aus zehn Lehramtsstudierenden verschiedener Fachbereiche. Die meisten studieren im Master und manche sind nebenher schon in der Lehre oder Bildungsarbeit tätig. Bisher sind wir anonym und online aufgetreten.

Warum möchtet ihr anonym bleiben?

Olga: Wenn man als Studierende die Universität öffentlich kritisiert, muss man teils damit rechnen, dass Kritik nicht wohlwollend empfangen wird. Wir wollen anonym bleiben, weil wir mit negativen Konsequenzen rechnen müssen. Das bezieht sich auch auf unser späteres Berufsleben als Lehrkräfte. Zudem haben wir schon jetzt in der kurzen Zeit, in der wir existieren, harte Anfeindungen im Internet erlebt. 

Wie kam es zur Gründung der Initiative?

Dillan: Die meisten von uns kannten sich vorher nicht. Die Initiative ist aus der Not heraus entstanden durch akute Diskriminierungssituationen in Seminaren, in denen so gut wie niemand eingeschritten ist. Diejenigen, die eingeschritten sind, haben sich dann verbündet. Das Fass ist einfach übergelaufen.

Was möchtet ihr mit eurer Initiative erreichen?

Olga: Wir sehen Schule als einen zentralen Ort, an dem gesellschaftliche Machtverhältnisse verhandelt werden und somit Strukturen der Ungleichheit destabilisiert werden können. Dafür sitzen Lehrer*innen genau an der richtigen Stelle. Deshalb wollen wir, dass rassismuskritische Bildung ein Grundbaustein in der Lehramtsausbildung wird. Das kann stattfinden in Form von Seminaren und Trainings für Lehrkräfte. Auch Dozierende sollten sich zu Rassismus fortbilden müssen. Ein weiteres Ziel ist die Sichtbarmachung der unaushaltbaren Zustände, in denen so viele Schüler*innen, Studierende und Lehrer*innen derzeit Leben müssen. Wir wollen eine Uni und vor allem eine Schule für alle Menschen.

Kommen wir auf euren offenen Brief zu sprechen: Welche Reaktionen kamen seitens der FU?

Dillan: Das können wir schnell beantworten: Gar keine. Das wundert uns, denn wir sind öffentlich sichtbar und leicht zu kontaktieren. Außerdem haben wir in unserem Brief gefordert, dass die Uni sich damit auseinandersetzen soll und wir eine Reaktion wollen. 

Woran, denkt ihr, liegt es, dass die FU auf eure Forderungen nicht reagiert?

Dillan: Wir vermuten, dass wir aus einer Position in der Uni-Hierarchie heraus kritisieren, in der wir nicht auf Augenhöhe behandelt werden. Wir zeigen Missstände auf, zu denen sich die FU Gedanken machen muss, wie sie Strukturen nachhaltig verändern kann. Das ist ein unangenehmes Thema für die Uni. Jetzt zu spüren, dass wir uns monatelang treffen, und dann kommt gar keine Reaktion, bestätigt uns, in welchem System wir uns eigentlich bewegen und wer wie viel Mitspracherecht hat.

In einer Forderung eures Briefes heißt es, der Diversity-Begriff würde echtes antirassistisches Handeln verwässern. Was genau meint ihr damit? Lehnt ihr den Diversity-Begriff ab?

Dillan: In diesen Diversity-Begriff ist so ziemlich alles reingepackt, was irgendwie mit Diskriminierungs- und Ungleichheitsstrukturen zu tun hat. Das verschleiert die unterschiedlichen Unterdrückungsstrukturen und wie sie zusammenwirken.

Olga: Und vor allen Dingen suggeriert es, dass es sich um Einzelfälle handelt, die von einem Diversity-Management, das partiell eingreift, adressiert werden können. Aber so ist es nicht, sondern es liegt eine gesellschaftliche Struktur zu Grunde.

Seht ihr eure Initiative in einen breiteren öffentlichen Kampf gegen Rassismus, wie z.B. die Black Lives Matter-Bewegung, eingebettet?

Olga: Wir sehen unsere Initiative und unseren Kampf nicht in einem luftleeren Raum, sondern schließen uns vorangegangenen Bewegungen an. Natürlich stellen antirassistische und feministische Bewegungen einen wichtigen Bezugspunkt für uns dar.

Dillan: Gerade auch das Attentat in Hanau haben wir uns unserem Brief erwähnt. Das sind antirassistische Kämpfe, als Teil derer wir uns verstehen.

Wie wollt ihr künftig weitermachen?

Dillan: Wir überlegen einerseits, wie wir mit der Uni umgehen sollen, die noch nicht auf unseren Brief geantwortet hat. Andererseits wollen wir eigene Strukturen aufbauen und uns mit anderen Initiativen und Organisationen vernetzen. Langfristig bleibt die große Frage: Wie können wir die rassistischen, klassistischen und sexistischen Strukturen an der Uni verändern? 


Die Studierenden hinter der Initiative wollen anonym bleiben, doch Olga und Dillan sind einverstanden, dass ihre Vornamen genannt werden.

Nach dem Interview hat die Freie Universität auf den offenen Brief der Initiative reagiert. Die Initiative nimmt dazu auf ihren Social Media-Kanälen Stellung.

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