“Was trägt man während der Apokalypse?”

Afrolunar war die krönende Abschlussshow der Berlin Fashion Week. Emma Mehl war dabei und sprach mit dem Designer Stephané Peeps über seine Inspiration, Nachhaltigkeit und welchen Ratschlag er jungen Kreativen in der Szene geben würde.

FAAM Studios zeigen ihre Herbst/Winter-Kollektion für 2023. Foto: Emma Mehl

“A show for the people”

Das Kühlhaus ist die Location für Afrolunar, die Modenschau des Labels FAAM Studios, die die Veranstaltung eine „immersive experience“ nennt. Anlass ist der letzte Tag der Berlin Fashion Week. Diese findet seit 2007 zweimal jährlich statt und wird dieses Jahr zum ersten Mal nicht mehr von Mercedes Benz gesponsert, sondern von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betrieb. Fördergelder in Millionenhöhe unterstützen die Shows von Design-Größen wie Marc Cain und Tamaris.

Diese letzte Show der Fashion Week hat jedoch ein Alleinstellungsmerkmal: Stéphane Peeps, Creative Director von FAAM Studios (Fashion Art And Movement), organisierte die Show zusammen mit dem Künstler Thomias Radin ohne jegliche Hilfe von Sponsoren. „We wanted to make a show for the people, to give back”, antwortet Peeps später auf die Frage, warum er sich dazu entschied, seine Show über Vorverkaufskarten und Abendkasse zugänglich für alle zu machen, die normalerweise nicht von den großen Labels eingeladen werden.

Zwischen Müll und Motorradhelmen.

Einen Laufsteg gibt es bei dieser Show nicht. Im Zentrum der rechteckigen Installationsfläche steht eine weiße Säule, auf der ein orange verspiegelter Motorradhelm thront. Darum verteilt liegen im grauen Sand große blaue und grüne Tonnen auf dem Boden verteilt. Dazwischen finden sich alte Leuchtschilder und undefinierbarer Metallschrott. Begrenzt wird das ganze von weißen Blöcken, die bereits mit Menschen besetzt sind. Fast alle halten Handys oder Kameras in den Händen, sie unterhalten sich, und warten im Licht der Neonröhren auf den Beginn der Show. Mit Afro-Beats bringt Coco Calypso am DJ-Pult Bewegung in die auf drei Stockwerke verteilte Menge. Von einem Mädchen im Teenager-Alter mit glitzernden Jeans bis hin zu einer älteren Dame in einem bodenlangen Mantel ist eine große Bandbreite der Berliner Modeszene vertreten. 

Dann leitet Astan KA mit ihrem Gesang, den man irgendwo zwischen Opern- und Gebetsgesang einordnen kann, die Show ein. Die Models verlassen die Wendeltreppe durch eine freistehende weiß lackierte Tür und präsentieren die verschiedenen Looks, indem sie eine komplizierte Strecke zwischen Säulen, Sand und Motorrädern im Slalom ablaufen. Die einzelnen Teile bestehen aus Jeansstoff, Leder und Leinen. Dazwischen finden sich auch Baumwoll-Hoodies und transparente Stoffe. Alle Teile sind  aus recycelten Materialien hergestellt, die Peeps mit seinem Team aus ganz Berlin zusammengesucht hat. „It’s stuff people would throw away when they don’t use it anymore. One outfit is made from old couch material for example, and another one from neoprene from a diving suit”, erklärt er später im Interview. Nachhaltigkeit sei ihm wichtig.

Dazu kommt noch die Idee hinter der Show: Was trägt man während der Apokalypse? Oder wenn man sich auf einmal auf dem Mond wiederfindet, abseits jeglicher Zivilisation, zu einer dystopischen Zukunft verdammt. Der Name der Kollektion Afrolunar spielt genau mit diesem Konzept: eine Mischung aus retro und futuristisch, gepaart mit Eindrücken aus Peeps Heimat Kamerun. Während des Designprozess hatte er ein Bild von sich selbst im Kopf, wie er Motorrad durch eine verwaiste Mondlandschaft fährt.

Wenn der Laufsteg Bühne und Dancefloor wird

Aufgebrochen wird der stetige Strom an Models von künstlerischen Einlagen: die Rapper Selassi und Stimulus ziehen mit ihren überraschenden Spoken-Word-Performances die Zuschauenden in den Bann. „It’s easy to be a human being, right? “, fragt Thomias Radin aka Lazy Bird die Zuschauer*innen in der ersten Reihe. Zusammen mit dem Komponisten Delawhere erzeugt er im finalen Akt der Show eine ergreifende Stimmung: Die Klaviermusik eines schwarzen Flügels gepaart mit den fließenden Bewegungen des Tänzers und seinen eindringlichen Worten lassen niemanden unberührt. 

Peeps zeigt in seiner Show, dass man nicht die großen Investoren braucht, um eine einzigartige Mode-Erfahrung zu schaffen. Sein Team besteht zum Großteil aus jungen Schwarzen Berliner Künstler*nnen, die zusammen eine einzigartige Vision zum Leben erweckt haben. Sein Rat für alle, die gerade in der Szene anfangen wollen: „Trust your inner voice. Trust yourself, but stay curious and listen to other people’s stories.” Wo eben noch die Models die Kollektion präsentieren, wird nun das Publikum Teil der Installation. Kaum ist der letzte Applaus für den Designer verklungen, strömen Menschen auf den eröffnenden Dancefloor. Auch wenn der offizielle Teil der Show vorbei ist, kommen immer neue Tänzer*innen hinzu. Die cool kids von Berlin retten sich an diesem Samstagabend vor dem apokalyptischen Wetter draußen in die dystopische Installation von Afrolunar ein grandioser Tausch!

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