Sprünge (vom Zehn-Meter Brett)

In der Rubrik Wortrausch bieten wir Autor*innen eine Plattform für kreatives Schreiben. Lucie Schrage mit ihrem Gedicht Sprünge (vom Zehn-Meter Brett).

Foto von Brock Wegner auf Unplash

Das hier, dieses Jahr, es fühlt sich nicht so an, als wären wir einfach alle nur ein Jahr älter geworden, hätten einfach noch einen Geburtstag gefeiert. 

Wir sind alle den Kinderschuhen entwachsen und werden im Rekord-Tempo erwachsen.

Es ist nicht mehr ein Fuß vor den anderen, Stützräder abmachen, sondern immer wie ein Sprung vom Zehn-Meter-Brett. Aber ich bin immer noch der ängstliche Typ, springe noch nicht mal vom Beckenrand. 

In letzter Zeit haben sich die Sprünge schon viel zu groß angefühlt. 

Die Zeit ist gerannt.

Immer wieder Veränderungen, immer hundertachtzig Grad Drehungen. 

Und ich habe versucht, die Person festzuhalten, die ich gestern noch war.

Und ich habe mich nach Ruhe und Beständigkeit gesehnt. 

Nach Stillstand oder zumindest Slow Motion.

Wollte nur ab und zu mal alles aus Vogelperspektive beobachten

und der Person von gestern noch einmal folgen. 

Aber die Schuhe von gestern waren schon wieder zehn Nummern zu klein.

Ich will gar nicht mehr springen. 

Schon gar nicht vom Zehn-Meter-Brett 

Will einfach mal stehen bleiben 

Oder am besten auf einer grünen Wiese liegen 

Und ankommen, nur noch in meinen kleinen Kreisen rennen, nicht im großen Hamsterrad.  

Die Kopfhörer rausnehmen und der Umgebung lauschen, nur die Wolken bewegen sich. 

Aber die Zeit rennt weiter, ihr springt weiter. 

Ich muss auch, auch wenn ich zittere. 

Das hier, dieses Jahr war gar nichts. 

Die großen Sprünge stehen noch bevor. 

Und es heißt springen oder stürzen.

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