„Vom guten Leben angesichts des Todes“

„Memento Mori“ ist eines der Themen des diesjährigen offenen Hörsaals. Auf der Suche nach Erkenntnis traf Lisbeth Schröder hier auf Erkenntnistheorie.

Holm Tetens bei der Auftaktvorlesung des offenen Hörsaals zum Thema Tod. Foto: Lisbeth Schröder

Holm Tetens bei der Auftaktvorlesung des offenen Hörsaals zum Thema Tod. Foto: Lisbeth Schröder

Jeder, der schon einmal einen geliebten Menschen verloren hat kennt das Gefühl: Eine Tür fällt unweigerlich zu und lässt einen zurück in einem Raum voller Erinnerungen, Schmerz und der Frage nach der eigenen Vergänglichkeit.

Mich treibt der Tod eines solchen Menschen zum offenen Hörsaal „…dass es ein Ende mit mir haben muss. Vom guten Leben angesichts des Todes“. Die Vortragsreihe verspricht Einblicke in philosophische und theologische Debatten um den Tod, Möglichkeiten und Grenzen der Medizin und politische Anteilnahme. Außerdem will sie sich mit der Frage nach „dem guten Leben“ auseinandersetzen. Ich bin voller Hoffnung, meine Fragen würden beantwortet.

Der erste Termin der Vorlesungsreihe, die von Stefan Gosepath und Matthias Remenyi, Professoren der Fachbereiche Philosophie und Katholische Theologie konzipiert wurde, füllt den großen Hörsaal der Silberlaube mit Besuchern jeden Alters. ,,Ich bin überwältigt. Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Menschen da sind“, so Remenyi. Auch Holm Tetens, Wissenschaftstheoretiker an der FU und laut Gosepath „ein alter Hase“, ist bei seiner Auftaktvorlesung sichtlich beeindruckt.

Was wir über den Tod (nicht) wissen

Tetens, der zunächst mürrisch in der Ecke steht, entfaltet erst bei seinem Vortrag mit einer Mischung aus Humor und wissenschaftlichem Kalkül sein volles rhetorisches Potential. ,,Mir ist ja etwas mulmig dabei, diese Ringvorlesung zu eröffnen. Aber ich kann Sie trösten: Nach mir kann es nur besser werden.“

Das Thema lautet „Der Tod – ein hoffnungsloser Fall? Eine kleine Erkenntnistheorie des Todes“, und beinhaltet bereits das erste Fremdwort für den Laien: Was ist eine Erkenntnistheorie? Tetens erläutert, es gehe darum, was wir über den Tod wissen und was wir nicht wissen (können). Ein Beispiel: Der Hirntod. Die Mediziner verstehen den Menschen als tot, obwohl sein Herz noch schlägt. Würde man warten, könnte man seine Organe nicht mehr transplantieren. Dennoch wird der Hirntote von vielen Menschen nicht als tot wahrgenommen, sondern wirkt eher wie eine schlafende Person. Woher rührt die Erkenntnis, ob ein Mensch tot ist oder nicht und können wir diese Erkenntnis überhaupt besitzen?

Zwischen Neurobiologie und Philosophie

,,Äußere nichts mehr über den Geist oder die Seele ohne die Hirnforschung“, spottet Tetens und legt die These vor, dass ein Beweis, dass das menschliche Bewusstsein nur an neuronale Bedingungen geknüpft wäre, das Ende einer Person und vor allem deren Seele bedeute. Eine junge Philosophiestudentin findet dieses Thema besonders spannend: ,,Ich fand seine Aushebelung naturwissenschaftlicher Grundsätze am besten. Es ist schön, mal eine Gegenstimme zu hören.“ Tetens will damit aber nicht nur die Neurowissenschaften in Frage stellen. Er analysiert auch Identitätstheorien, die Ich-Perspektive der Seele während des Todes und die Beobachter-Perspektive der Personen, die den Menschen sterben sehen.

Die Quintessenz des Vortrages: Wir wissen nicht, ob ein Mensch tot oder lebendig ist, es kommt auf die Perspektive an, aus der wir die Situation betrachten. Eine Antwort auf die Frage nach dem guten Leben steht noch aus.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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