Apologie der Lounge-Musik

Vor zwei Jahren lud der australische Elektrokünstler Chet Faker ein Cover des 90er-Hits „No Diggity“ ins Internet – und löste einen Hype aus. Anfang April erschien endlich sein Debütalbum. Von Cecilia Fernandez

Vier Kulturgrößen: Bob Marley, Johann Wolfgang von Goethe, Woody Allen und William Shakespeare. Illustration: Luise Schricker

Vier Kulturgrößen: Bob Marley, Johann Wolfgang von Goethe, Woody Allen und William Shakespeare. Illustration: Luise Schricker

Ein musikalisches Werk als Lounge-Musik zu betiteln, ist heutzutage selten als Kompliment gemeint. Kein Wunder, zeichnet sich das Genre, zu dem Fahrstuhlmusik ebenso zählt wie die harmlosen Melodien einer Cocktailbar im touristischen Berlin-Mitte, überwiegend durch Seichtheit und Austauschbarkeit aus. Wahrscheinlich fällt es der Internetgemeinschaft deshalb so schwer, Chet Fakers Debütalbum „Built on Glass“ zu dieser Kategorie zu zählen. Lieber werden vage Begriffe wie „Nu-Soul“, „Post-Dubstep“ oder – durchaus charmant – „Shoegaze Hip Hop“ bemüht.

Zurückhaltung und Präzision

Dabei scheint sich Faker selbst durchaus problemlos zum Lounge-Charakter seiner Kompositionen zu bekennen. Immerhin lädt er auf dem Eröffnungstrack „Release Your Problems“ ausdrücklich zur Entspannung ein. „/“, das Stück, das zwischen erster und zweiter Hälfte der CD vermittelt, fordert sie geradezu ein: „Now relax still more, drift a little deeper as you listen“.

Das gelingt – denn der australische Künstler hat ein Händchen für sanfte Beats und hypnotisierende Loops. Seine fast chirurgische Genauigkeit erweitert Faker, der sich bisweilen auf laptopkreierte Sounds konzentrierte, auf „Built on Glass“ um kristallklare akustische Elemente. Das kurze Gitarrensolo auf „Dead Body“ beispielweise darf sich mit seiner melodischen Schärfe durchaus in die Tradition eines Mark Knopfler stellen. Zurückhaltung und Präzision – das sind Tugenden Fakers, die ihm erlauben, ein Album zu schaffen, auf dem kein Ton beliebig, kein Sample verschwenderisch wirkt.

Die Stimme – sein vielseitigstes Instrument

Dass ein Album, dem das handwerkliche Schaffen am Mischpult derart anzuhören ist, dennoch nicht seelenlos anmutet, liegt vor allem an Fakers versatiler Stimme. Mit scheinbarer Unbeschwertheit wechselt der Sänger zwischen drängenden Tönen, die den Größen Motowns Ehre erweisen („To Me“), fragilen Falsettos frisch aus dem Soul Train („Gold“) und tiefen, rauchigen Registern („Talk is Cheap“). Zweifellos ist keine dieser Facetten oder Techniken für sich genommen bahnbrechend, doch in der Mischung ergeben sie eine vitalisierende Variation.

Dessen ist Faker sich wohl durchaus bewusst, setzt er seine Stimme doch immer wieder als Loop ein, erhebt sie zum rhythmusgebenden Element seiner Lieder. Auf Tracks wie „No Advice“ oder „Lessons in Patience“ wird sie zu einem Instrument unter vielen, wechselt verspielt zwischen Hinter- und Vordergrund, wirkt unscheinbar oder erschütternd – und stellt schließlich eine außergewöhnliche musikalische Vielschichtigkeit her.

Unaufdringlich einnehmend

Lyrisch behandelt „Built on Glass“ mit wenig Worten große Themen: Liebe, Verlust, Verrat. Doch trotz dezidiert desillusionierter Zeilen („And it hurts that I’m done/ Now I don’t believe in nothing“) bleibt Faker distanziert und unaufdringlich.

Als unaufdringlich darf wohl das ganze Album bezeichnet werden: Sowohl im Melancholischen als auch im Zelebrierenden, in all seinen harmonischen Arrangements und seinen experimentellen Strukturen ist „Built on Glass“ einnehmend aber nie aufwühlend, spannend aber nicht dramatisch. Ein handwerklich raffiniertes Album für ruhige Stunden in der Lounge.


Chet Fakers’ „Built on Glass“
Label: Pias Coop/Future Classic (rough trade)
Erscheinungsdatum: 11. April 2014
Preis: 19,88 Euro

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Til sagt:

    Danke für die Review, klingt wirklich klasse, gerade mit den leichten
    Elektro-Elementen; find ich top.

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