Was darf Gleichstellung kosten?

Das Studentenwerk Berlin soll in „Studierendenwerk” umbenannt werden – für knapp 800.000 Euro. Ein Skandal, findet Alexandra Brzozowski, denn das Geld wäre woanders besser aufgehoben.

montagskommentar_edited

Der Berliner Senat sorgt mal wieder für Gesprächsstoff: Auf Vorschlag von Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) soll das Berliner Studentenwerk geschlechtsneutral in „Studierendenwerk” umbenannt werden. Somit soll sich keiner der Berliner Studierenden mehr diskriminiert fühlen. Befürworter halten dies für notwendig und zeitgemäß, Gegner tun es als „Genderwahn“ ab.

Doch das löbliche Ziel der Gleichstellung ist längst nicht mehr Kern der Debatte. Inzwischen geht es vor allem ums Geld. Der Sprecher des Studentenwerks, Jürgen Morgenstern, beziffert die Kosten für die Umsetzung laut BZ auf 800.000 Euro. Noch ist die Änderung des Studentenwerksgesetzes nicht durch den Senat, der Landesrechnungshof will den Kostenplan noch einmal prüfen. Streit ist nun vorprogrammiert.

Was kostet die Welt?

Keine Frage, Gleichstellung ist wichtig! Wir brauchen unbedingt mehr davon. Doch so grundanständig der Vorstoß auch sein mag: Wenn es um solch gewaltige Geldsummen geht, hat das Verständnis seine Grenzen. Es stimmt zwar, dass viele Bundesländer die Umstellung schon längst geschafft haben. Hier bei uns sind solche Schritte aber meist etwas komplizierter, Berlin ist in diesem Fall mal wieder Nachzüglerin – nicht so sexy, weil sehr arm.

Zumal das Geld vor allem für Lapallien ausgegeben werden wird. Die Umsetzung der Namensänderung beinhaltet unter anderem die Umgestaltung von Logo, neuer Mensakarten, Beschriftungen und Schildern – sogar neues Briefpapier muss gedruckt werden. Allein dadurch fallen erhebliche Material- und Personalkosten an.

Bei der seit jeher klammen Berliner Landeskasse grenzt dieser Vorschlag an Wahnsinn. Hat das Land Berlin wirklich keine anderen Probleme zu lösen? Die Frage ist berechtigt und damit auch jene, ob die Namensänderung angesichts der Kosten überhaupt nötig ist und wenn ja, ob sie dann tatsächlich so viel Geld verbrennen muss.

Kein Haus, kein Dach, kein Geld?

Schließlich gäbe es genug Dinge, die finanziert werden müssten. Allen voran wäre es sinnvoll, das Geld in bezahlbare Studentenwohnheime zu investieren. Hunderte von Studierenden suchen jedes Semester verzweifelt nach einem Dach über dem Kopf, ihr Budget gibt meist nicht viel her. Doch mangelnder Wohnraum, so scheint es, ist natürlich in diesem Fall das weniger wichtige Problem.

Auch könnte das Geld für andere Zwecke an den Hochschulen verwendet werden, beispielsweise, um die Lernbedingungen zu verbessern oder für mehr Barrierefreiheit in den Unis zu sorgen. Vor allem fehlt es seit Langem aber auch an Kita-Plätzen. Dabei wäre es deutlich sinnvoller sicherzustellen, dass man auch als Frau mit Kind auf jeden Fall studieren und arbeiten kann. In Sachen Gleichstellung wäre das viel effektiver, als dass nun Studierendenwerk” statt Studentenwerk” auf Schildern steht.

Zudem lässt die Instandhaltung etlicher Gebäude zu wünschen übrig. Marode Seminarräume und kaputte Heizungen gibt es überall. Ein Anfang wäre, unsere „Tropfsteinhöhle“ von Philologischer Bibliothek, deren Bauherr das Land Berlin ist, wieder dicht zu bekommen.

Berlin, du bist so hinüber

Und wo wir schon dabei wären – beim Blick auf die Stadt Berlin fällt auf, dass an etlichen Stellen ebenfalls ordentlich Handlungsbedarf bestünde: Angefangen bei den unhaltbaren Zuständen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) bis hin zum vor sich hin rottenden Flughafen. Man kann nur vermuten, dass es auch vielen Studierenden wichtiger wäre, dass der Senat diese Brandherde in den Griff bekommt.

Denn die Umbenennung ist letzten Endes ein Symbolakt, der sich im studentischen Leben Berlins wenig bemerkbar machen wird. Wenn für so etwas Geld vorhanden ist, dann sollte es auch an den wirklich wichtigen Stellen nicht fehlen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

Ähnliche Artikel

1 Response

  1. Steffen sagt:

    Aus der Abteilung: Vernünftig recherchieren bevor man schreibt…

    Bei einem größeren Teil der veranschlagten Kosten handelt es sich um Investitionen, die sowieso getätigt werden müssen: Verbrauchs- und Verschleißgegenstände wie eben Briefpapier, Mensakarten, Schilder (denn auch die verwittern) und so weiter müssen eh neu beschafft werden, nur dass sie dann bei der Produktion entsprechend verändert werden. Sprich, es handelt sich dabei eben nicht um Mehrkosten.

    Mal abgesehen davon, dass das Studierendenwerk aus anderen Haushaltsmitteln finanziert wird, ist es alles andere als sauber, mit den unhaltbaren Zuständen im Lageso (die CDU-Senator Czaja zu verantworten hat) gegen eine längst fällige Anpassung einer Bezeichnung zu argumentieren. Wenn man das Geld nicht dafür ausgeben würde, änderte sich an den Zuständen in Moabit nämlich überhaupt nichts.

    Ansonsten empfehle ich dazu folgende Beitrag von Anatol Stefanowitsch: http://mediathek.rbb-online.de/radio/Kulturradio-am-Vormittag/Aus-dem-Studentenwerk-wird-das-Studie/kulturradio/Audio?documentId=33002062&topRessort=radio&bcastId=9839118

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.