Setzt euch für Aufklärung ein!

Zwar wirkt die FU oft wie ein linkes Biotop, in dem Homo- und Transphobie kaum vorkommen. Dabei wird oft vergessen, dass sie außerhalb omnipräsent sind. Zeit, dass sich die Studierenden einsetzen, findet Evelyn Toma.

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Berlin ist eine Insel. Der Campus der FU sowieso. Eine eigene kleine Welt voller liberaler und toleranter Studierender, die ihren eigenen linken Idealen folgen. Jede Woche gibt es irgendeine Aktion vor der Mensa und einmal im Semester wird die Vorlesung von wütenden Krawallos gesprengt. Wieso um alles in der Welt blieb es am 17. Mai, dem Tag gegen die Homophobie, aber so verdammt still?

Vielleicht hält man es einfach nicht für nötig, gegen etwas einzustehen, was man nicht wahrnimmt. Aber Homophobie und Transphobie gibt es überall. Wer einmal mit seiner Flamme gleichen Geschlechts Hand in Hand durch Neukölln spaziert ist, wird nicht an den auf der Straße sitzenden Männern vorbei gekommen sein, ohne abwertende Blicke, Pfiffe oder gar Sprüche zu ernten.

Homophobie in Deutschland

Jedes Jahr am 17. Mai wird auf die Diskriminierung von LGBTQ-Menschen aufmerksam gemacht. Es ist erst 26 Jahre her, dass an diesem Tag Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestrichen wurde. Aus dem deutschen Strafgesetzbuch verschwand der Paragraf 175, nachdem Homosexuelle strafrechtlich verfolgt werden konnten, erst 1994. Trotzdem wurden bis 1969 Homosexuelle teils zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Betroffenen wurden nie entschädigt. Ab 2017 wird auch die Transidentität endlich von der Liste der psychischen Störungen verschwunden sein.

Auch wenn sie inzwischen rechtlich geschützt sind, fühlen sich viele nicht-heterosexuelle Menschen trotzdem genötigt, sich in der Öffentlichkeit zu verstecken. Denn wer zu seiner sexuellen Identität steht, lebt gefährlich. 2015 wurden dem Anti-Gewalt-Projekt „Maneo“ allein in Berlin 259 Fälle von Gewalt gegen Homosexuelle und Transgender-Personen gemeldet. Das liegt zwar über den bei der Polizei gemeldeten Zahlen, es ist aber davon auszugehen, dass die Dunkelziffer sogar weit größer ist.

Augen auf!

Wer heterosexuell und cis – also nicht trans – ist, kann schnell dem Glauben verfallen, die Gleichberechtigung sei gegeben, die Diskriminierung ein Problem des katholisch-bayrischen Dörfchens. Aber das stimmt keineswegs! Diskriminierung ist nach wie vor ein Problem – weltweit und auch in Deutschland. Berlin und die Campus-Insel sind dabei keine Ausnahme.

Die Ansicht, es sei kein Bedarf, da es vermeintlich keine Diskriminierung von LGBTQ-Personen gibt, scheint an der Uni aber weit verbreitet zu sein. Sicherlich gibt es einige Gruppierungen und auch das LesBiTransInterA-Referat des Asta, die sich für die Community einsetzen. Trotzdem fehlt eine Kontaktperson für Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung an der FU.

Alle brauchen Aufklärung

Im Rahmen der queer-feministischen Orientierungstage fand letzten Mittwoch im Roten Café ein Workshop zum Thema Gewalt gegenüber Transgender statt. Am 17. Mai selbst gab es aber keinen Programmpunkt. Diese Orientierungstage sollten die Menschen zusammenbringen – leider waren cis-Männer bei den meisten Veranstaltungen explizit unerwünscht. Schade, denn Kontakt ist seit jeher der beste Weg um Vorurteile abzubauen. Außerdem sind es gerade heterosexuelle cis-Männer, die auf die Brisanz dieser Diskriminierung aufmerksam gemacht werden müssen.

Wer von Homo- oder Transphobie betroffen ist, weiß ja bereits von den Missständen. An wem jedoch die Diskriminierung unbemerkt vorbeigeht, der wird zum Mittäter. Es kann nicht ausreichen, wenn eine Minderheit für ihre eigenen Rechte kämpft. Sie braucht Unterstützung von der Mehrheit! Und wer in einer gerechten Welt leben will – und das unterstelle ich jetzt mal ganz frech den FU-Studierenden – den geht auch die Diskriminierung seiner Mitmenschen etwas an.

Wann, wenn nicht am 17. Mai, sollte man die Gelegenheit nutzen, die Heteronormativität unserer Gesellschaft zu hinterfragen? Wann, wenn nicht am Tag gegen Homophobie, sollten Menschen jeglichen Genders und jeglicher sexueller Orientierung Hand in Hand unter einer großen Regenbogendecke in der FU stehen? Zur Ungerechtigkeit gehören immer mehrere. Und sie bekämpfen müssen alle zusammen!

Anm. d. Redaktion: Im siebten Absatz wurden einige Informationen richtiggestellt. Vorher hieß es der Workshop sei am Diesnstag, den 17. Mai gewesen und cis-Männer nicht willkommen. Dabei war es eine der beiden Veranstaltungen innerhalb dieser Orientierungstage, die für alle Gender offen waren.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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3 Responses

  1. Kosta sagt:

    “Wer von Homo- oder Transphobie betroffen ist, weiß ja bereits von den Missständen. An wem jedoch die Diskriminierung unbemerkt vorbeigeht, der wird zum Mittäter. Es kann nicht ausreichen, wenn eine Minderheit für ihre eigenen Rechte kämpft. Sie braucht Unterstützung von der Mehrheit!”

    “Am 17. Mai selbst gab es aber keinen Programmpunkt. Diese Orientierungstage sollten die Menschen zusammenbringen – leider waren cis-Männer bei den meisten Veranstaltungen explizit unerwünscht.”

    Von heterosexuellen Männern mehr Involvierung und eine Anerkennung für Ausgrenzung und Diskriminierung von nicht-heterosexuellen Menschen verlangen: heterosexuelle Männer an einer Involvierung hindern indem man sie diskriminierend ausgrenzt.

    Geil.

  2. Ann sagt:

    Ich denke, dass bei solchen Veranstaltungen keine cis-Männer erwünscht sind, liegt eher daran, dass man einen safe space für die Menschen schaffen will und auch muss, in dem sie von ihren Erfahrungen berichten können. Wie du selbst sagst, sollten gerade sie auf solche Thematiken aufmerksam gemacht werden, klar, weil ein Großteil der Diskriminierung von cis-Männern ausgeht!

    • Kosta sagt:

      Also hat man lieber ein gegenseitiges Schulterklopfen und Beklagen einer statistisch unbelegbaren Diskriminierung, als eine offene Debatte und Unterhaltung über Missstände und Probleme, indem man alle Ansichten aufnimmt und dann abwägt, was Realität und was nur einseitiger Hass, Opfer-Täter/Schubladendenken und Stereotypisierung ist (“Großteil der Diskriminierung kommt von cis-Männern”?).
      Da kann man sich “safe spaces” aufbauen, wie man will – die Realität ist aber eine andere, man übernimmt Verantwortung für seine Fehler und Schwächen und schiebt nicht alles auf eigene krude Gedanken, die jedem, der einer gewissen Meinung nicht folgt, gleich den Stempel eines weißen, reichen, intoleranten Mannes eindrückt, der hoch oben in seinem Turm aus Geld lebt, sich aus Vergewaltigungsprozessen freikauft, die Welt beherrscht und alles unterdrückt, was keinen weißen Penis und mittelständische Herkunft hat. So kriegt man nur ein verzerrtes Weltbild und eine schwache, unreflektierte Persönlichkeit – oder Verschwörungstheoretiker.

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