Ein Sonderzeichen für die Demokratie

Ein FDP-Abgeordneter wirft dem Stupa undemokratisches Verhalten vor, weil es auf gendergerechte Sprache besteht. Dreister geht es nicht, findet Corinna Segelken.

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Nur selten dringt etwas aus dem Studierendenparlament (Stupa) aus unserer Dahlemer Uni-Blase an die Außenwelt. Doch beim Thema Gendern kochen die Gemüter bekanntlich gerne hoch. So schlug die Regelung des Stupa, nur Anträge anzunehmen, die in gendergerechter Sprache formuliert sind, Wellen bis in die Berliner Senatskanzlei. Mit einem “totalitären System” verglich FDP-Abgeordneter Marcel Luthe das Stupa, dabei müssen Anträge in jeder Institution gewisse Kriterien erfüllen. Der Vorwurf undemokratischer Sprach-Regelungen im Stupa ist deshalb unhaltbar.

Das Berliner Abgeordnetenhaus selbst verwendet die altbekannte Regelung, dass der Gebrauch der männlichen Form selbstverständlich alle Geschlechter miteinbeziehe (§93 der Geschäftsordnung). Solch eine Klausel findet sich auch heute noch in vielen Hausarbeiten. Sie ist an Unverschämtheit jedoch kaum zu überbieten. Das angebliche “generische” Maskulinum der deutschen Sprache schließt nämlich keineswegs alle Geschlechter mit ein. Wie eine Untersuchung an Studierenden zeigt, wird bei der Verwendung von männlichen Pluralformen eine Personengruppe meist unbewusst als überwiegend männlich interpretiert. Das Argument, Frauen seien eben einfach “mitgemeint”, ist somit hinfällig. Die Verwendung eines Sonderzeichens oder einer Partizip-Form bezieht außerdem auch die Menschen ein, die sich nicht mit der binären Geschlechterordnung von Mann und Frau identifizieren. Gerade deswegen war auch die kürzliche Namensänderung des Studierendenwerks längst überfällig.

Politik für alle Menschen

Dem Stupa also undemokratisches Verhalten vorzuwerfen ist dreist. Gendergerechte Sprache hat nichts damit zu tun, eine unnatürliche Verhaltensweise aufzwingen zu wollen. Sprache ist ein Instrument, das gesellschaftliche Machtverhältnisse ausdrückt. Um diese aufzubrechen, muss unsere Sprache die gleichberechtigte Gesellschaft, die wir uns wünschen, auch abbilden. Es handelt sich dabei nicht um den Ausdruck einer radikalen politischen Meinung, wie gerne behauptet wird, sondern um das Vertreten von Menschenrechten. Wer sie nicht nutzt, kann sich nicht mit dem Einsatz für Gleichberechtigung rühmen. Die Behauptung von Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, gendergerechte Sprache sei wünschenswert, ist lächerlich, wenn sich dies nicht in offiziellen Regelungen widerspiegeln soll.

Es gibt wichtigere Schritte zur Gleichberechtigung als die Einführung einer gendergerechten Sprache? Nein. Wo sonst sollen wir beginnen, wenn nicht bei unserer eigenen Kommunikation? Nichts formt politisches Verhalten so sehr wie Sprache. Eine Politik, die noch nicht einmal in offiziellen Anträgen alle Bürger*innen bzw. Studierenden einbezieht, macht auch keine Politik für alle von uns. Wer nicht in der genutzten Sprache verdeutlicht, sich für alle Menschen einsetzen zu wollen, ist in einem demokratischen Parlament am falschen Platz.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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2 Responses

  1. Sebastian D. sagt:

    “Sprache ist ein Instrument, das gesellschaftliche Machtverhältnisse ausdrückt. Um diese aufzubrechen, muss unsere Sprache die gleichberechtigte Gesellschaft, die wir uns wünschen, auch abbilden.”

    Unsere Gesellschaft ist nicht gleichberechtigt? Frauen haben nicht die gleichen Rechte wie Männer? Da bitte ich doch gern um ein Beispiel! Welches Recht haben Frauen denn nicht, das Männer haben? Nichts anderes sagt das Wort “gleichberechtigt” nämlich aus.

    Des Weiteren bitte ich um einen Beleg für die zwischen den Zeilen durchschimmernde Behauptung, die gesellschaftlichen Machtverhältnisse bestünden darin, dass Männer mehr Macht hätten als Frauen. Denn auch das zweifle ich entschieden an.

    Und bitte kommt mir nicht mit der Gender Pay Gap. Dass die unbereinigte Lohnlücke zwischen Männern und Frauen nicht zum Vergleich zwischen Männern und Frauen taugt, ist hinlänglich belegt.

    “Die Verwendung eines Sonderzeichens oder einer Partizip-Form bezieht außerdem auch die Menschen ein, die sich nicht mit der binären Geschlechterordnung von Mann und Frau identifizieren.”

    Geht’s mal wieder um die 67 Gender? Oder sind es mittlerweile 129?

    Machen wir es einfach: Es gibt Männer, diese zeichnen sich durch ein X- und ein Y-Chromosom im 26. Chromosomenpaar aus. Und es gibt Frauen, diese zeichnen sich durch zwei X-Chromosomen im 26. Chromosomenpaar aus. Als dritte Gruppe gibt es die Intersexuellen. Diese machen 0,037% aller Geburten aus – 37 von 100.000. Diese brauchen jedoch kein eigenes drittes Geschlecht, sondern sie sind eine Mischung aus den beiden vorhandenen.

    Alle anderen, die gern von Linken als “zwischengeschlechtlich” eingestuft werden, lassen sich entweder unter Geschlechtsidentitätsstörung (GIS) oder mittlerweile zum Teil auch unter den sogenannten Transtrendern verbuchen.

    Bei tatsächlichen Transgendern erfolgt die Umwandlung vom einen in das andere Geschlecht. Eine Transfrau (MTF) nach abgeschlossener Geschlechtsumwandlung ist eine Frau. Ein Transmann (FTM) nach abgeschlossener Geschlechtsumwandlung ist ein Mann.
    Transtrender sind zum Beispiel Transvestiten, die behaupten, sie wären Transgender – Menschen, die sich gern als Frauen anziehen, sich gern wie eine Frau verhalten, aber keine Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen. Daran ist überhaupt nichts verwerflich, bevor mir das jemand vorwerfen möchte, aber es ist eben kein eigenes Geschlecht. Derer gibt es nur zwei: Männer und Frauen. Nicht alles ist ein Spektrum.

  2. Julian Otte-Korts sagt:

    Liebe Corinna, ich habe die fraglichen Anträge verfasst. Ich habe in diesen extra darauf hingewiesen, dass sie ALLE ansprechen. Das StuPa hat die trotzdem nicht zugelassen, weil keine Sternchen drin waren
    Wer Sprache gerndern möchte, beispielsweise mit Sternchen, der kann das machen. In einem demokratischen Gremium Anträge nicht zu beraten, weil sie keine Sternchen enthalten (ja, man kann geschlechtergerechte Sprache verschieden auffassen und umsetzen) ist antidemokratisch.
    Richtig, gendergerechte Sprache an sich ist nicht undemokratisch. Aber sie zu forcieren ist undemokratisch. Sprache ist nämlich ein zutiefst basisdemokratisches Phänomen.

    Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen, schuldet die Sprache nichts. Es ist schon fraglich, ob das biologische Geschlecht vollkommen deckungsgleich mit dem grammatikalischen ist. Wer sich von keiner gängigen Schreibweise angesprochen fühlt, sollte vielleicht nicht seine Umgebung verantwortlich machen.

    Ich kann Deine Perspektive verstehen, Du willst einfach nur Gleichberechtigung und das ist ja auch richtig. Das will ich auch. Aber wie bei vielen Dingen gibt es mehrere Perspektiven und Herangehensweisen. Das gehört zum Pluralismus dazu.

    Übrigens: In einem Parlament ist für jeden Platz, der gewählt wurde. Ob es der jeweiligen politischen Konkurrenz passt oder nicht. Vielleicht solltest Du Dein Demokratieverständnis Mal kritisch überprüfen.

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