Wann ist ein Mann ein Mann? Ein Workshop an der FU hinterfragte Konzepte von Männlichkeit. Rebecca Stegmann und Corinna Segelken erfuhren dabei unter anderem, wie Sex-Tourismus entstand.
In einem Seminarraum in der Holzlaube drehte sich am Samstag alles um Männlichkeiten – richtig, in der Mehrzahl. Der Workshop „Global Historical Perspectives on Masculinity in the Nineteenth and Twentieth Century“, organisiert von Sinologe Nicolas Schillinger und mitfinanziert vom Margherita-von-Brentano-Zentrum, beleuchtete historische Konzepte von Männlichkeit in Asien und Deutschland.
FU-Professorin Ulrike Schaper sprach über den Zusammenhang einer Männlichkeitskrise im damaligen Westdeutschland und Sex-Tourismus. Veränderungen in den Geschlechterrollen und Gesetzesänderungen zu Scheidungen und Unterhaltszahlungen in den 1970ern hätten dazu beigetragen, dass deutsche Männer anfingen, auf der Suche nach Sex und Partnerinnen nach Thailand oder auf die Philippinen zu fliegen. Die daraufhin ausgerufene Krise der Männlichkeit sei als diskursives Phänomen zu verstehen, da Gender und somit auch Männlichkeit nie stabil seien, erklärte die Professorin.
Reisen, um dem Feminismus zu entkommen
„Sex-Tourismus wurde oft als Urlaub von deutschen Frauen dargestellt“, so Schaper. Diese seien als kalt und emanzipiert charakterisiert worden, im Gegensatz zu den als zart und unterwürfig angesehenen Asiatinnen. Deutsche Frauen hätten erstmals systematisch die Entscheidungsgewalt der Männer angezweifelt und so halfen Heiratsagenturen ihnen Frauen zu finden, “die noch kein Problem mit ihrer weiblichen Identität” hatten. Hatte die Emanzipation der Frauen ihre Männlichkeit in Frage gestellt, half ihnen die Verbindung mit einer asiatischen Frau, diese “zurückzuheiraten”. Auch heute noch gibt es Partnervermittlungen die damit werben, Thailänderinnen Deutsch, Kochen und Haushaltsführung beizubringen, damit sie perfekt auf eine Beziehung vorbereitet sind, in der „Mann noch Mann und Frau noch Frau ist“.
Affären als Statussymbole
Harriete Zurndorfer von der Universität Leiden stellte in ihrem Vortrag die wechselnden Vorstellungen von Männlichkeit in China dar, angefangen bei der Kapitulation der Qing-Dynastie im Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg 1895. Den Grund für die Niederlage sahen die Herrschenden unter anderem in der Polygamie und der “Verweichlichung” chinesischer Männer. Die wichtigste persönliche Verbindung zu dieser Zeit war, laut Zurndorfer, die zwischen Männern, nicht zwischen dem Mann und seinen Frauen. Reformen im 20. Jahrhundert hätten die Gleichheit der Geschlechter vorangetrieben: „Ich bin in der Ära des Feminismus im Westen aufgewachsen, chinesische Frauen waren damals unsere Idole“.
Mit der der Reformära ab 1978 machte diese Entwicklung einen Rückschritt. „Heute ist es wieder wie früher”, so Zurndorfer. Ein Mann werde dann als besonders maskulin angesehen, wenn er Frauen für andere Männer bereitstellen könne. Geschäftsmänner, die Genehmigungen haben wollen, laden den zuständigen Beamten zu einem netten Abend in einer Bar ein und machen ihn mit einer jungen Frau bekannt. Auch langfristige Affären seien eine Art Prestige, da sie zeigen würden, dass sich der Mann die finanzielle Unterstützung der meist aus ärmlicheren Verhältnissen stammenden Frau leisten könne.
Furcht vor Weiblichkeit
Die verschiedenen Beiträge im Workshop verdeutlichten, wie sehr die Definition von Männlichkeit mit Ort und Zeit variieren. Konstant, so Schaper in ihrem Vortrag zu Sex-Tourismus, sei einzig, dass Männlichkeit als Ideal wahrgenommen wird, dem es zu entsprechen gilt. Ein Verlust der Männlichkeit werde mit sozialem Abstieg gleichgesetzt. Die Angst davor sei jedoch meistens einem Unbehagen gegenüber wechselnder Geschlechterverhältnissen geschuldet – genauso wie einer Furcht vor starker Weiblichkeit.