Beim Musikhören driften wir gern in andere Welten ab. Doch warum lassen uns einige Klänge weit tiefer abtauchen als andere? Johanna Hoock hat sich eine Studie an der FU angeschaut.
Morgens, kaum aus dem Bett und den Schlaf noch in den Augen, rein in die überfüllte U3, und vergeblich einen Platz suchen – wer an der FU studiert, dem ist dieses Szenario bekannt. Nur eines kann die beschwerliche Reise Richtung Krumme Lanke erträglicher machen: Musik. Also rauf mit den Kopfhörern und rausbeamen aus der engen U-Bahn Realität.
Würde man Studierende bei ihrer Ankunft in Dahlem-Dorf fragen, woran sie als letztes gedacht haben, fiele es den meisten wohl gar nicht mehr ein. Und woran liegt das? Beim Hören von Musik neigen viele Menschen zum Tagträumen. Eine psychologische Studie an der der FU fand vor kurzem heraus, dass es sogar einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Art der gehörten Musik und dem Inhalt der Gedanken gibt.
Wir träumen einen Großteil des Tages
Bereits 2014 setzten sich die Forscher*innen mit dem Effekt von Musik auf die Emotionen auseinander. Nun wurden die Auswirkungen auf den Inhalt der Gedankenwelt erforscht. „Zwischen dreißig und fünfzig Prozent unseres Wachzustandes verbringen wir mit Tagträumen“, erklärt die Musikforscherin Dr. Liila Taruffi, die die Untersuchungen an der FU geleitet hat. „Das bedeutet, dass unsere Gedanken nicht fokussiert sind auf einen speziellen äußeren Reiz oder eine Aktivität.“ Es handle sich um innere, spontane Gedanken, in Form von wörtlicher Rede, einem Wort oder einer visuellen Erscheinung, wie einem Gemälde.
Der Musikstil macht den Unterschied
Bemerkenswert ist hierbei, dass traurige Musik das Wachträumen stärker anregt, als zum Beispiel fröhliche Klänge. Traurige Melodien regen zum Nachdenken über sich selbst und zur Selbstreflektion an. Welche Art von Musik in diese Kategorie fällt, wurde vorher in einem separaten Experiment mit anderen Proband*innen ermittelt. Die Wissenschaftler*innen wählten hierzu aus einer Liste verschiedener Genres die Lieder aus, die starke Emotionen bei ihnen hervor riefen. Die Teilnehmer*innen der Studie sollten beschreiben, woran sie während des Hörens dachten.
Mit trauriger Musik assoziierten die Menschen das Gefühlsleben und Elemente der Natur, wie etwa „Wasser“ und „Liebe“. „Bei fröhlicher Musik dominierten Vorstellungen vom Tanzen und Feiern“, erläutert Taruffi. In einem zweiten Schritt des Experiments verdeutlichen Messungen der Hirnregionen, dass durch traurige Musik das sogenannte „Default Mode Network“ angeregt wird – genau der Bereich, welcher auch bei Tagträumen aktiv ist.
Die Forschungsergebnisse könnten ein Anstoß für weitere Untersuchungen sein, etwa um mit der passenden Musik, je nach Persönlichkeitstyp, positive Gedanken zu stimulieren. Solche Ansätze, so Taruffi, könnten zum Beispiel genutzt werden, um neue Therapieformen für die Behandlung von Depressionen oder ähnlichen mentalen Erkrankungen zu entwickeln.