„Es war kein Traum, eher eine vage Vorstellung”

Die argentinische Autorin Samanta Schweblin ist Gastprofessorin an der FU. Mit Lucie Schrage hat sie über die Kunst des Schreibens und ihre Arbeit als Dozentin gesprochen. 

Samanta Schweblin erkundet mit ihren Studierenden, wie Fiktion funktioniert. Foto: Stefan Klüter

Die Schriftstellerin Samanta Schweblin wurde 1978 in Buenos Aires geboren. Ihre Werke wurden in 25 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet Schweblin leitet Workshops zum Kreativen Schreiben in Havanna, Oaxaca, Stockholm und Peking. Heute lebt und arbeitet sie in Berlin. Sie besetzt in diesem Wintersemester die Samuel Fischer-Gastprofessur für Literatur an der FU. Die Gastprofessur wird seit mehr als 20 Jahren von Schriftsteller*innen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten jeweils für ein Semester besetzt. Ziel ist es, kritische Reflexion über die Literatur und einen Gedankenaustausch über Landesgrenzen hinweg zu ermöglichen. 

FURIOS: War es schon immer Ihr Traum, Schriftstellerin zu werden oder hat sich das zufällig ergeben?

Samanta Schweblin: Ich war immer fasziniert von der Idee, Geschichten zu erzählen, aber ich wusste nicht, wie man gut schreibt. Es war kein Traum, eher eine vage Vorstellung. Alle Fotos der Autor*innen auf den Buchrücken zeigten alte Männer oder Personen, die bereits tot waren, also wieso sollte ich Schriftstellerin werden? Doch mir gefiel es, mit der Aufmerksamkeit von Personen, denen ich meine Geschichte erzählte, zu spielen. Während meines Filmstudiums wuchs mein Interesse an den Problemen des Storytellings, Plots und Charakteren. Nach dem Studium wusste ich, dass ich nicht für immer in der Filmwelt bleiben will, aber in der Welt des Schreibens. 

Ihre Romane sind keine Liebesgeschichten im klassischen Sinne, sondern sprechen aktuelle Sorgen und Ängste der Menschheit an. Woher nehmen Sie die Inspiration zu dieser Art von Geschichten?

Zu Anfang kommen die Ideen überall her. Es ist ein wenig eigenartig, denn alles kann ein Plot sein, eine gute Story, ein Beginn von etwas. Wenn man aber daran arbeitet, lange Zeit mit einer Geschichte verbringt, merkt man, dass die Vorstellungen sich verändern, man sich als Autor*in nun selbst mit großen Fragen beschäftigt, die auf eigene Ängste zurückgehen. Diese großen Fragen werden nicht unbedingt beantwortet, darum geht es auch nicht, aber diese Fragen sind bereit, erkundet zu werden. 

In diesem Wintersemester haben Sie die Samuel Fischer-Gastprofessur angetreten. Verfolgen Sie bestimmte Ziele für die Lehre der Literatur? 

Mein Vorsatz ist es, mit den Studierenden darüber nachzudenken, zu analysieren und auch zu erleben, wie Ideen entstehen und sich entwickeln, aber auch wie Fiktion funktioniert. Ich erachte es als wichtig, aus zwei Sichtweisen zu denken: der des*der Lesers*in und der des*der Autors*in. Diese zwei Sichtweisen müssen zusammenarbeiten. Ich will diese zwei Facetten des Schreibprozesses vermitteln und an Kurzgeschichten aus der nord- und lateinamerikanischen Kultur arbeiten. 

Haben Sie Ratschläge für Ihre Studierenden? Vor allem für diejenigen, die selbst am Schreiben interessiert sind? 

Vor allem für Beginner ist es wichtig, zu lesen, was sie geschrieben haben und nicht, was sie denken geschrieben zu haben. Schreiben bedeutet eine konstante Überschneidung von Übersetzungen und Vermittlungen. Daher ist es so wichtig, wirklich zu lesen: In einer objektiven Weise, Wort für Wort, das Geschriebene wirklich zu prüfen und vor allem zu verstehen. 

Aufgrund der Coronapandemie befinden wir uns einem Digitalsemester. Hat die Onlinelehre aus Ihrer Sicht mehr Vorteile als gedacht? 

Gut sind die verschiedenen Tools, die man nutzen kann. Zudem kann ich alle Studierenden im Raum gut sehen und die Gruppe überblicken und das zu jeder Zeit. Schade ist jedoch, dass die Verbindung zu den Studierenden anders ist. Ich vermisse die letzten Minuten nach einem Seminar, wenn anschließend Teilnehmer*innen zu mir kommen, um im Privaten zu reden, Fragen zu stellen oder sich auszutauschen.

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