Queering Fussball

Für die deutsche Fußballnationalmannschaft der Männer ist die WM in Katar bereits seit einer Weile zu Ende. Zum Start des umstrittenen Turniers nahm eine Tagung an der FU Berlin queere Perspektiven im Fußball in den Blick. Eröffnet wurde sie mit einer Podiumsdiskussion zur Geschichte des Frauen*fußballs. Insa Birkenhagen war dabei. 

Illustration: Noa Kreutz

Am 21. und 22. November organisierte das Friedrich-Meinecke-Institut gemeinsam mit dem Sportmuseum Berlin die öffentliche Tagung unter dem Titel „Ist Fußball alles? Wie können Geschichten von Fußball gequeert werden”. Die Podiumsdiskussion zum Auftakt fand in der Villa des Olympiaparks statt. Politik, Wissenschaft und Sport kamen hier zusammen, um sich über die Geschichte des Fußballs der Frauen auszutauschen. 

Moderiert wurde die Diskussion von der freien Journalistin Nora Hespers. Die Berliner Landespolitik war durch die Staatssekretärin für Sport, Dr. Nicola Böcker-Giannini,  vertreten. Die ehemalige Spielerin des 1. FC Union Berlin Greta Budde war da, ebenso Pia Mann vom Verein Discover Football, der sich für die LGBTQ-Community im Fußball engagiert. Außerdem diskutierten Tanja Walther-Ahrens, Sportwissenschaftlerin und ehemalige Fußballspielerin, sowie Sporthistorikerin Dr. Carina Linne. Aufgrund der vielfältigen Perspektiven erstreckte sich das Gespräch zwischen Forschung und Erfahrungsberichten.

Die Teilnehmerinnen der Podiumsdiskussion in der Villa des Olympiaparks. Foto: Insa Birkenhagen

Von Beginn an herrschte eine lockere Atmosphäre, die Teilnehmerinnen duzten sich untereinander und es wurden amüsante Anekdoten geteilt. Trotz dessen war der Austausch nicht minder intensiv. Man merkte richtig, wie hinter den einzelnen Beiträgen nicht nur Expertise, sondern auch Hingabe für den Sport steckte. 

Aber was bedeutet Frauen*fußball überhaupt? Nora Hespers erklärt, dass darunter erst einmal alles zu verstehen sei, was nicht cis heteronormativer Männerfußball ist. Während dieser im Alltag als „Der Fußball“ verstanden wird, werde der Frauen*fußball meist in einer gesonderten Kategorie gedacht. Durch die Formulierung „Fußball der Frauen”, soll dieser Assoziation auf semantischer Ebene entgegengewirkt werden.

Fußball der Frauen war und ist politisch

Gerade in Zeiten der WM in Katar, in denen die Hand vor dem Mund das Maximum an politischem Engagement zu sein scheint, stelle sich schnell die Frage, wie sich das Verhältnis von Politik und Fußball gestalte. Denn während Thomas Müller und Co „einfach nur Fußball spielen“ wollen, meinen Tanja Ahrens und Pia Mann, sei der Fußball der Frauen von vornherein eine politische Angelegenheit.

So wahrte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) bis in die 1970er Jahre stets Abstand vom Fußball der Frauen. Erst, als die Frauen Anstalten machten, sich selbst zu organisieren, richtete der DFB eine Liga ein. Dabei war den Frauen jedoch nur eine Spielzeit von 80 statt 90 Minuten gestattet. Zudem herrschte ein völlig anderes Regelwerk; das Spielen im Winter sollte beispielsweise unterlassen werden. Zwar wurden solcherlei Missstände mit den Jahren korrigiert, bis heute hinke der Fußball anderen Sportarten wie dem Tennis in Sachen Geschlechtergerechtigkeit jedoch deutlich hinterher. Das einfache Fußballspielen mussten und müssen FLINTA* Personen sich erkämpfen, sodass die sportliche und politische Ebene seit jeher koexistieren. Als Profispielerin setzte sich Greta Budde beispielsweise parallel für ein Spieler*innen-Honorar in der Kreisliga ein; im Team der Männer war dies bereits eine Selbstverständlichkeit gewesen.

Queerness im Fußball der Frauen präsenter 

Wenn man im Fußball der Frauen spielt, meint Ex-Spielerin Tanja Ahrens, entwickle man schnell eine Sensibilität für Diskriminierung. Allein deshalb würde Queerness dort auch weitaus mehr Repräsentation finden, als im Fußball der Männer. Das Queer-Sein, sei lediglich das Sahnehäubchen on top, als feminisierte Person sprenge man die Regeln bereits. Intern sei Queerness damit ein tabufreies Thema, aber auch medial wachse die queere Repräsentation. Was mit einer Welle von Bi-Outings in den 1990ern begonnen hat, entwickle sich immer mehr zu einem inklusiven Raum innerhalb des Sportes.  

Die ständige Frage, warum es wenige offen queere Fußballer gebe, zeige also nur einen verschobenen Blick. Denn schon lange gebe es diese offen queeren Personen, nur spielen sie nicht im Fußball der Männer. Eine verstärkte Repräsentation und Medienpräsenz vom Fußball der Frauen würde also gleichzeitig eine verstärkte Repräsentation von Queerness im Fußball bedeuten, so Moderatorin Nora Hespers. Bis dahin sei es aber vor allem wichtig, im Fußball der Frauen Protokoll zu führen und Forschungsmaterial zu produzieren, um das Queeren von Geschichten des Fußballs zu erleichtern.

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