Das John-F.-Kennedy-Institut sammelt Pop. Seit den 70er Jahren erwirbt die Bibliothek Comics. Ergänzt um Filme und Lifestylemagazine ist sie eine Schatzkammer zur Erforschung amerikanischer Massenkultur. Von Julian Daum
In Glasvitrinen vor rötlich braunen Holzvertäfelungen sind die besten Stücke präsentiert: Spiderman, Hulk, Ms. Marvel, Batman. Sie alle sind noch eingeschweißt, noch nie berührt, noch nie gelesen worden. Die Comics im Herzstück des John-F-Kennedy-Instituts bieten ein recht ungewöhnliches Bild für eine universitäre Bibliothek. Doch hier ist alles der Erforschung eines spezifisch amerikanischen Phänomens verschrieben: Hier wird Pop studiert.
Pop ist Kunst für die Massen, ist Konsum. Pop ist eigentlich Antikunst, in seiner Reproduzierbarkeit liegt die Negation des Einzigartigen. Gerade Comics stehen symptomatisch für seinen wichtigsten Erzähltypus, der heute vor allem aus dem TV nicht mehr wegzudenken ist: das serielle Erzählen. Ihm widmet sich seit 2010 auch die von der deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Arbeitsgruppe „Ästhetik und Praxis populärer Serialität“. Comics sind ein zentraler Teil ihrer Forschung.
Wachsender Bestand
Bereits seit den Siebziger Jahren sammelt das Institut die Hefte, den Anfang machte eine Schenkung der Michigan State University von etwa 150 Exemplaren. Nun, mit den bewilligten Geldern der DFG, kam die Masse, kamen systematisch Zeitungsstrips, Cartoons, Graphic Novels. „Außer Fanzines sammeln wir eigentlich alles. Wir versuchen, den Massenmarkt abzudecken und uns breit aufzustellen“, sagt Bibliotheksleiterin Julia Mayer.
Das allein sei aber noch nicht ungewöhnlich für eine wissenschaftliche Bibliothek. Das besondere sei, dass durch die Schenkung auch einzelne Comichefte gesammelt werden könnten, anstatt sich nur auf Gesamtausgaben, etwa von Hellboy oder Watchmen beschränken zu müssen. So konnte schon die ein oder andere Erstausgabe beschafft werden oder Western und Erotica original aus den Fünfzigern. Die wichtigsten Serien werden abonniert, wie zum Beispiel Kamala Khan der Ms. Marvel-Reihe, die erste muslimische Heldin des gleichnamigen Verlags.
Das Nerdherz jubelt
Im ersten Stock schließlich muss das Nerdherz unweigerlich höher schlagen: In zwei langen Regalen finden sich neben DC und Marvel sämtliche Universen der wichtigsten Verlage. Bereits das erste Abschreiten der Titel, vorbei an Sin City, Watchmen, The Walking Dead oder Persepolis, macht die Entscheidung schwer. Wilhelm Busch? Fehlanzeige. Der deutsche Comicpionier mag zwar technisch großen Einfluss auf das Genre gehabt haben, entspricht jedoch nicht der Ausrichtung der Sammlung. „Wir sammeln ausschließlich nordamerikanische Comics“, erklärt Mayer, denn sie seien Gegenstand der US-Massenkultur.
Wem Bildergeschichten allein nicht genügen, sollte sich wieder ins Erdgeschoss begeben, wo schließlich die Freunde des Bewegtbildes voll auf ihre Kosten kommen. Horror-Trash Fans sind hier mit der mittlerweile zum Kult avancierten Serie Buffy – Im Bann der Dämonen ebenso gut bedient wie jene, die es mit House lieber zynisch-intellektuell mögen.
1 Response
[…] Mit Batman im Lesesaal – Das Campusmagazin Furios über die ausgezeichnete Comicsammlung der Bibliothek des John-F.-Kennedy Instituts für Nordamerikawissenschaften der Freien Universität Berlin. Ich habe vier Jahre am JFK studiert, aber irgendwie ist mir die Comicsammlung entgangen. Schade. In den Seminaren der der kulturwissenschaftlichen und literaturwissenschaftlichen Abteilungen waren Comics leider auch kaum Thema. Ebenso wie auch einige andere kulturwissenschaftlich bedeutenden Themen keinerlei Erwähnung fanden: Computer- und Videospiele und Pornografie (zu beidem wird es von mir demnächst einen längeren Artikel geben). Die Bedeutung von TV-Serien ist dort schon erst mit 10 Jahren Verspätung angekommen. Es wird also noch dauern, bis man mal von den klassischen Themen abweicht und sich mit dem beschäftigt, was heute einen enormen kulturellen Einfluss auf die Menschen Amerikas (und der ganzen Welt) hat. […]