Hochschul-Inventur: Wo sind die Professorinnen?

Anlässlich des Gedenktags zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen hat die FU einen Beratungstag initiiert. Die Beratungsangebote der Uni sichtbarer zu machen, ist ein wichtiges Zeichen, findet Rabea Westarp. Frauen im Lehrkontext macht der Tag aber leider nicht sichtbarer.

Diskriminierung, Gewalt, sexuelle Belästigung: Probleme, denen gerade Frauen immer wieder ausgesetzt sind. Am heutigen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen hat die FU deshalb einen Beratungstag zum Thema veranstaltet. Designiertes Ziel: Betroffene unterstützen, Schutzräume für Opfer schaffen. Was man vielleicht erst für eine Promo-Aktion der FU halten könnte, die sich mal wieder im besten Licht glänzen sehen möchte, ist eine wichtige Maßnahme in der Sichtbarmachung der Diskriminierung, die Frauen noch viel zu oft widerfährt.

Dabei wird sich nicht nur symbolisch dem Thema gewidmet – Betroffenen und Zeug*innen übergriffigen oder diskriminierenden Verhaltens wird konkrete Unterstützung geboten: Gespräche mit den anwesenden Frauenbeauftragten laufen auf Wunsch anonym und unterliegen der Schweigepflicht. Einen Workshop zur Selbstverteidigung gibt es noch obendrauf. Das ist absolut richtig und wichtig, um zu verdeutlichen, was oft vergessen wird: Gewalt gegen Frauen gibt es auch im universitären Kontext – strukturell wie persönlich. 

Spitzenreiter – und doch kein Vorbild

So ergaben die jüngsten Untersuchungen zur Frauenquote an Hochschulen zwar, dass die FU Berlin mit einem Professorinnen-Anteil von 37,7 Prozent erneut Spitzenreiter ist. Guckt man aber in die einzelnen Fachbereiche, schwanken diese Zahlen stark. Auch  fällt auf: Im Bundesdurchschnitt ist nicht einmal jede vierte Professor*innenstelle von einer Frau besetzt. Gerade technische Unis stinken ab und kommen teilweise nur auf lausige 10,8 Prozent (Technischen Hochschule Mittelhessen).

Das steht in keinem Verhältnis zu den Studierendenzahlen – von aktuell fast 2,9 Millionen Studierenden in Deutschland ist nämlich fast genau die Hälfte weiblich. Doch von den Frauen, die eine akademische Laufbahn als Studentin einschlagen, schaffen es vernichtend wenige bis in den Lehrstuhl – nicht zuletzt wegen sexistischer Einstellungsverfahren, einer “Boys’ Club” Mentalität in einigen Feldern, oder schlicht der Unvereinbarkeit von Arbeit im akademischen Betrieb und Familie – die hängt schließlich oft noch an Frauen. Das Ganze ist ein Teufelskreis: Frauen werden nicht eingestellt und Wissenschaft und Lehre bleiben Männer dominiert. Mädchen und jungen Frauen fehlen folglich die Vorbilder, die sie zu einer Wissenschaftskarriere inspirieren könnten. Gegen strukturelle Benachteiligungen bei Stellenbesetzungen und dem beruflichen Aufstieg hilft ein Beratungstag nun aber nicht. Mit konkreten Maßnahmen tut sich die FU noch immer schwer.

Gute Vorsätze, nie eingelöst

Tatsächlich hat der AS an der FU schon im Jahr 1993 – vor über 20 Jahren! – sogenannte Frauenförderrichtlinien erlassen, die dem Ganzen entgegenwirken sollen. Und die klingen gar nicht so blöd. Von Vereinbarkeit von Familie und Beruf über Mittelvergabe – also Stipendien und Forschungsfördermitteln – bis hin zur Amtssprache präsentierte die FU ein progressives Pamphlet in Sachen Gleichberechtigung. Die Umsetzung, naja. Nicht so ganz.

Nicht falsch verstehen: Gegen Gewalt und Diskriminierung ist jede Maßnahme wichtig.– Wer die Botschaft aber ernst nimmt, kann über die zahlreichen Probleme, die es gibt, nicht hinwegsehen. Defizite gibt es – in nicht unerheblichen Maße – auch an der FU. Auch, wenn sie deutschlandweit fast schon als Vorbild gehandelt wird. Dass Ziele, die schon 1993 verfasst wurden, noch immer in weiter Entfernung liegen, ist mehr als ernüchternd. Die AG Sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, die den Beratungstag an der FU ausrichtet, betont ausdrücklich, dass die Beratung auch an jedem anderen Tag des Jahres in Anspruch genommen werden kann. Ob die Beratung auch von Frauen wahrgenommen wird, die es mal wieder nicht in den Lehrstuhl geschafft haben?

Autor*in

Rabea Westarp

Das Schreiben nutzt Rabea Westarp als Waffe gegen ihre immense Faulheit und Lethargie. Klappt eigentlich ganz gut.

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