„Kunst und Umwelt: Räume, Orte, Systeme“ – so lautet der Titel des Offenen Hörsaals. Doch die Interpretation des Begriffs Umwelt überrascht Matthäus Leidenfrost, aber warum?
Umweltschutz ist mittlerweile im Uni-Kosmos angekommen, wie die Ringvorlesung der Students for Future an der FU beweist. Doch was bedeutet es, wenn Kunst sich damit beschäftigt? Meiden Maler*innen Ölfarben, weil diese Walnuss- oder Sojaöl enthalten? Verwenden Bildhauer*innen keinen Beton, weil dieser nicht abbaubar ist? Oder haben diese Fragen gar nichts mit dem Verständnis von Umwelt, wie es in dem Offenen Hörsaal „Kunst und Umwelt: Räume, Orte, Systeme“ vorausgesetzt wird, zu tun?
Eine bereichernde Enttäuschung
„Die Erschaffung von (scheinbar) autopoietischen Verflechtungen von menschlichen und nicht-menschlichen, biotischen und abiotischen Akteuren“ – so lautet die Deutung des Begriffs Umwelt, wie sie dieses Semester an jedem Dienstag in der offenen Vorlesungsreihe zur Kunst und Umwelt zugrunde gelegt wird. Soll heißen: Die Umwelt wird hier viel breiter gefasst als in den alltäglichen Debatten über den Klimaschutz; nämlich als der Raum, in dem wir mit der Welt interagieren.
Sven Lütticken, Kunsthistoriker an der Vrije Universiteit Amsterdam, führt aus, wie dieser Raum durch den Einsatz von staatenbildenden Insekten, wie Ameisen und Bienen, in der modernen Kunst erschlossen wird. So geht Kunst der Frage nach, was es heißt, ein Wesen in einer Umwelt zu sein. Soziale Insekten bieten sich deswegen dazu an, weil sie, wie wir Menschen, auch in Staaten leben.
Nur Ameisen sind Kommunisten
Allerdings zeigen Kunstwerke wie The Political Beekepers Library von Erik Sjödin, dass nicht jeder Vergleich angebracht ist. Sjödin sammelte wissenschaftliche Werke, die versuchen, unsere Gesellschaft durch die Erforschung der Insektenstaaten zu erklären. Die Erkenntnisse sind dann häufig absurd, wie beispielweise: Der Kommunismus ist unmöglich, weil Menschen keine Ameisen sind.
Erich Hörl, Professor für Medienphilosophie an der Leuphana Universität Lüneburg, behandelt wiederum einen völlig anderen Aspekt. Er untersucht, welche Auswirkungen es für uns als Subjekte hat, dass nicht wir uns unserer Umwelt anpassen wie bisher, sondern dass sich die Umwelt durch die fortschreitende Technologisierung an uns anpasst. „Die Verallgemeinerung des Ökologiebegriffs ist Ausdruck eines kontrollgeschichtlichen Ereignisses, das sich auf den Medientechniken der dritten Kybernetik errichtet und dabei den Prozess der Kybernetisierung aller Existenzweisen auf seinen vorläufigen Höhepunkt führt“, resümiert Hörl. Wem das zu viel des Guten ist, sollte wohl erstmal wieder mit Foucault anfangen!
Hier kein Umweltschutz, dort schon
Letztendlich schneidet die Vorlesungssreihe den Umweltschutz nicht an, aber die zwei Vorträge zeigen auf, wie facettenreich das Verhältnis von Kunst und Umwelt gedacht werden kann. Die Erwartungen, die man an den Offenen Hörsaal hat, werden vielleicht nicht erfüllt, dafür kann man in völlig neue Perspektiven eintauchen. Abseits des offenen Hörsaals packen Künstler das Thema Umweltschutz dennoch konkret an. In Berlin gibt es eine Galerie für Nachhaltige Kunst und in Österreich startete eine andere Initiative das Kunst Haus Wien. Dort versucht man, den Museumsbetrieb möglichst umweltfreundlich zu gestalten. Und sogar die großen Kunstmessen, die bisher immer nur auf den Klimawandel aufmerksam machten, werden sich eines eigenen Problems stetig bewusster: das Einfliegen der Teilnehmer*innen aus aller Welt.