Den Körper als das sehen, was er wirklich ist

Das Studierendenwerk bietet einen Aktzeichenkurs an, der das genaue Wahrnehmen von nackten Körpern schulen soll. Lara Shaker und Anna-Lena Schmierer darüber, warum dies aus feministischer Perspektive dringend nötig ist.

Beim Aktzeichnen geht es darum, ganz genau hinzusehen und den Körper so wahrzunehmen, wie er ist. Foto: cottonbro/Pexels

Der menschliche Körper ist Subjekt zahlreicher, oft sexueller Projektionen. Dies bekommen FLINTA* –  cis-hetero Frauen, Lesben, intersexuelle Menschen, nicht binäre Menschen, Transsexuelle, Agender – oft (wortwörtlich) am eigenen Leib zu spüren. Die Tatsache, dass es für verschiedene Arten übergriffigen Verhaltens in Bezug auf ihre Körper etablierte Bezeichnungen wie beispielsweise catcalling oder upskirting gibt, zeigt deutlich, wie sehr der menschliche Körper sexualisiert und entfremdet wird. 

Das Angebot des Studierendenwerks schafft nun mit einem Aktzeichenkurs einen Raum, in dem Körper als das wahrgenommen werden können, was sie wirklich sind. Laut der Website soll der Kurs dazu dienen, „das genaue Wahrnehmen und Abzeichnen“ eines echten menschlichen Körpers zu üben. In insgesamt 15 Sitzungen kann jeden Montagnachmittag an einem Modell das anatomische Skizzieren verfeinert werden – der Kurs richtet sich aber explizit auch an Anfänger*innen ohne jegliche Vorerfahrung.

In entspannter Arbeitsatmosphäre geht es hier – untermalt von fröhlicher Musik – einmal kein bisschen um Sexualität. Kein Kichern, Tuscheln oder Werten, sondern einfach nur ein nackter Körper, der von eifrigen Bleistiftstrichen erfasst wird. Auf die Frage hin, wie sie die politisch-feministische Wichtigkeit des Aktzeichenkurses sehe, ist Kursleiterin Paula ganz erstaunt. Sie sagt, für sie gehe es ganz einfach darum, hinzuschauen und einen Körper so genau wie möglich abzuzeichnen – nicht mehr und nicht weniger. Sie merkt allerdings an, dass Frauen teilweise bis ins 20. Jahrhundert hinein genau wegen dieser Aktzeichenkurse nicht Kunst studieren durften. Eine Aussage, die zeigt, dass Körper auch in einem solchen künstlerischen Rahmen eben doch nicht immer nur als Körper gesehen wurden.

Empowerment statt Sexualisierung

In der Studierendenschaft gibt es ebenfalls Bestrebungen, einen Aktzeichenkurs zu gründen, der sich insbesondere an FLINTA* richtet: Er soll ihnen die Möglichkeit geben, in einem sicheren, nicht sexualisierten Raum Körper wahrzunehmen und zu reflektieren.

Birke, Initiator*in des Kurses, findet es wichtig, verschiedene Körper in ihrer Vielfalt zu zeigen und zu zelebrieren. So sollen diese im Kurs nicht hypersexualisiert, sondern in ihrer Natürlichkeit wertgeschätzt werden. Empowerment durch Normalisierung lautet das Motto. Am wichtigsten ist dem Organisationsteam dabei, dass das Modell sowie Zeichnende sich wohlfühlen und ein geschützter Ort für einen positiven Umgang mit Körperlichkeit geschaffen wird. Aus diesem Grund findet vor dem eigentlichen Kurs ein sogenannter consent workshop statt, eine Art Belehrung und Austausch über Einwilligung und Einvernehmlichkeit, in der Teilnehmende über das Konzept aufgeklärt werden.

Das Konzept solcher Angebote ist nicht neu: Auch das VANI-Studio in Berlin-Weißensee bietet Kurse wie nude yoga oder naked meditation an  ebenfalls nur nach Teilnahme an einem obligatorischen consent workshop.

Naked and conscious statt sex sells

Es ist schwer, solche Kurse in Relation zu der Anzahl sexueller Übergriffe, Bodyshaming und populären (antifeministischen) Marketingstrategien zu setzen. Weiterhin bleibt es fraglich, ob FLINTA*-only-Räume die richtigen Ansätze für Probleme sind, an denen cis-hetero Männer meist auch maßgeblich beteiligt sind. Schließlich sollten diese sich ebenfalls mit der Thematik auseinandersetzen. Trotzdem machen sie Hoffnung auf eine Zukunft, in der insbesondere FLINTA* sich in ihren Körpern und der Öffentlichkeit wohlfühlen können, ohne ungefragte und unerwünschte Kommentare und Bewertungen Fremder in Kauf nehmen zu müssen. Der Trend dahin ist sichtbar. Jetzt braucht es nur noch die Bereitschaft der Menschen, diese Körper in ihrer Natürlichkeit wahrzunehmen. Als das, was sie eigentlich sind.


Der Aktzeichenkurs im Rahmen des Kulturangebots des Studierendenwerks ist bereits ausgebucht. Es gibt jedoch die Möglichkeit, durch eine direkte E-Mail ans Kulturwerk noch einen Platz zu ergattern. Der FLINTA*-Aktzeichenkurs will noch dieses Jahr mit einem ersten Termin starten, mitmachen kann man über den Telegram-Channel FLINTA* Aktzeichnen.

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1 Response

  1. Frank Schuster sagt:

    Hallo, wo kann ich mich als Modell für den FLINTA – Zeichenkurs bewerben. Habe Erfahrung und zahlreiche Referenzen. Grüße, Frank

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