„Ein Raum ist nur so sicher, wie sich alle in ihm darum bemühen“

Am 17. Mai war der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Trans*feindlichkeit (IDAHOBIT). Zu diesem Anlass sprach Seval Tekdal mit dem Betreiber des ältesten queeren Clubs Berlins, des SchwuZ (SchwulenZentrum), über Sichtbarkeit und Safe(r) Spaces für Queers.

Der älteste queere Club Deutschlands: das SchwuZ. Foto: SchwuZ/webkreation.berlin

Am 17. Mai vor 32 Jahren wurde Homosexualität offiziell aus dem Diagnoseschlüssel des ICD-10 der WHO gestrichen – Queersein wurde damit nicht länger als Krankheit eingestuft. Obwohl der 17. Mai damit ein Tag zum Feiern geworden ist, bleibt mit Blick auf die harten Fakten offensichtlich: Der Kampf gegen Queerfeindlichkeit ist ein fortwährender und wird es auch bleiben. Für diese Erkenntnis bedarf es nicht einmal eines Blicks auf die 69 Staaten auf der Welt, in denen Homosexualität noch heute strafrechtlich verfolgt und in elf von ihnen sogar mit dem Tod bestraft wird. Denn auch hierzulande äußert sich Queerfeindlichkeit sehr viel subtiler, versteckter und dennoch ebenso diskriminierend.

Umso wichtiger erscheint deswegen das Bestehen von Safe(r) Spaces als Rückzugsorte für queere Menschen. Für die Tage, an denen es sich nicht so anfühlt, als gäbe es für die Community etwas zu feiern. Für die Tage, an denen die Kraft fürs Kämpfen fehlt.

Marcel Weber, der Geschäftsführer des SchwuZ, beschäftigt sich mit genau diesen Themen: mit der Bedeutung von Safe(r) Spaces im Kampf gegen Queerfeindlichkeit auf den Straßen und mit der Vereinbarkeit der Offenheit dieser Spaces für alle mit der Garantie vom Schutz für einige.

FURIOS: Marcel, das Motto eurer Gründungszeit war „Raus aus den Klappen, rein in die Straße“, angelehnt an Rosa von Praunheims Werk Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt. Wie passen die Forderung nach der Sichtbarkeit auf den Straßen und gleichzeitig das Angebot eines Safe Space, den das SchwuZ darstellt, zusammen? 

Marcel Weber: Diese Forderung bedeutet ja im Grunde, dass wir Sichtbarkeit als schlussendliche Anerkennung von LGBTIQ*+-Menschen fordern. Und zwar ohne Bedingungen. Da wir heute leider immer noch in einer Welt leben, in der es täglich Beleidigungen, Anfeindungen und sogar tödliche Übergriffe gegenüber queeren Menschen gibt, braucht es Safer Spaces wie das SchwuZ, wo Menschen so geschützt wie möglich zusammenkommen können.

Der Begriff Safe Spaces ist insofern irreführend, als es keine zu hundert Prozent sicheren Orte gibt. Daher verstehen wir uns als ein Safer Space. In diesen Räumen und Habitaten entstehen unter anderem auch Ideen, wie sich Gruppen und Organisationen auf den Pride-Paraden präsentieren, um ebendiese Sichtbarkeit und die absolute Gleichberechtigung einzufordern. Auch braucht es diese Safer Spaces, um Menschen, die Mehrfachdiskriminierung erfahren, einen Rückzugsort zu ermöglichen.

Wie wichtig ist das Schaffen sicherer, queerfreundlicher Rückzugsorte im fortwährenden Kampf für mehr queere Sichtbarkeit auf den Straßen?

Diese Rückzugsorte sind einerseits da, um in einen Prozess der Heilung zu kommen, und zum anderen natürlich auch als ein Hort der kreativen Ideen, wie man das Patriarchat bekämpfen kann. Von allein ist noch nichts besser geworden, auch wenn wir in manchen Punkten schon weiter gekommen sind.

Allerdings darf die queere Blase innerhalb einer Großstadt oder Metropole nicht als Blaupause für den Rest dienen. Noch heute sind gerade Menschen im ländlichen Raum auf Rückzugsorte angewiesen. Daher ist neben der Frage der Schaffung von sicheren und queerfreundlichen Rückzugsorten in Ballungszentren auch die Unterstützung für den Erhalt oder eben den Neuaufbau solcher Orte überall gefragt. Denn dann kann es auch im ländlichen Raum noch mehr Pride-Parades geben, auf denen plötzlich die queeren Anteile unserer Gesellschaft sichtbar werden. 

Teil des Forderungskatalogs des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland anlässlich des diesjährigen IDAHOBIT ist der „Start der Fachkommission gegen queer-feindliche Hasskriminalität“. In Berlin wurden im vergangenen Jahr über 369 Fälle von Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität registriert.

Das SchwuZ ist ein offen queerer Club, der auch in seinen FAQ ausdrücklich alle Menschen „jenseits von Geschlechtergrenzen“ einlädt. Eine Einladung, von der auch ich als nicht queere Person schon profitieren durfte. Ist euch diese Offenheit schon mal auf die Füße gefallen? Stichwort Queerfeindlichkeit im Club.

Natürlich ist jede Öffnung auch immer eine Gefahr, angegriffen zu werden. Und auch im SchwuZ passieren queerfeindliche Sachen. Sogar und meistens von Menschen ausgehend, die sich selbst zur queeren Community zählen.

Es geht uns darum, dass wir alle gemeinsam lernen, aufeinander achtzugeben. Denn Awareness ist ein Prozess, der nur so gut wird, wie alle an diesem Gelingen mitwirken. Dass wir uns in erster Linie um die Betroffenen von queerfeindlichen Taten kümmern, sollte selbstverständlich sein. Täter*innen werden dezent des Ladens verwiesen und erhalten Hausverbot. Und sowohl bei der psychischen Gewalt als auch bei körperlichen Übergriffen ist es unsere Aufgabe, sich anzubieten und Hilfestellung zum Beispiel in Bezug auf das Erstatten einer Anzeige zu leisten. 

Wie viel Schutz kann ein Raum denn bieten, wenn er nicht ausschließlich Queers zur Verfügung gestellt wird? 

Ein Raum ist immer nur so sicher, wie sich alle, die in diesem Raum sind, darum bemühen. Unabhängig von der geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung, Alter, Herkunft, sozialem Status oder Aussehen sollten wir ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass ein friedliches, wertschätzendes und respektvolles Miteinander das oberste Ziel ist.

Es ist ein schmaler Grat zwischen offen sein und einer Abgrenzung. So ist die Auswahl der Personen, die wir durch unser Programm und unsere Kommunikation ansprechen, genauso wichtig, wie die Entscheidung an der Clubtür, ob jemand zum heutigen Abend passt oder besser an einem anderen Abend wiederkommt. 

Im Mai wart ihr Teil des Beats-&-Books-Events – ein Event, das in Kooperation mit der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa entstand. Wie wichtig ist eurer Einschätzung nach die Zusammenarbeit mit Institutionen wie eben etwa dem Berliner Senat für den Fortbestand queerer Räume? 

In erster Linie ist natürlich die Zusammenarbeit über die Institutionen und Branchen hinweg ein wichtiger Schlüssel. Denn solche Veranstaltungen zeigen beispielhaft, dass es zum einen bei der Förderung von Literatur darum geht, eine Bühne für queerfeministische Autor*innen und Musiker*innen zu schaffen, und zum anderen darum, dass solche Veranstaltungen selbstverständlich in queere Orte wie das SchwuZ gehören.


Wer die SchwuZ Queer Stiftung gGmbH und damit das SchwuZ unterstützen möchte, tut dies am besten mit einer Spende über das Spendenformular auf der Website. Derzeit wird die Struktur der Stiftung ausgebaut, mit der Hoffnung, im kommenden Jahr erste Programme durchführen zu können. Wer mehr dazu wissen möchte, kann sich auf der Website im News-Bereich informieren oder für den Newsletter anmelden.

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