LASST DIE FARBE AN DER HOLZLAUBE

Die Letzte Generation hat wieder zugeschlagen, diesmal auch hier an der FU. Die Reaktion war abzusehen: Eine Festnahme, die Uni hat geklagt und der Schaden wird beseitigt. Doch die Uni sollte anders reagieren, meint Matthis Borda.

Die neue Lieblingsfarbe der FU. Illustration: Lena Stein.

Ein grell-modernes Orange ziert seit inzwischen mehr als einem Monat die Fassade der Holzlaube. Die Letzte Generation hat in der ersten Vorlesungswoche das Gebäude der FU – und vieler anderer Unis in Deutschland – in der Warnfarbe besprüht. Die Unileitung ist alles andere als begeistert, schließlich passt das Orange nicht in ihr neues FDP-ähnliches Farbschema, es beißt sich mit knallpink und schrillem Limonengrün. Und alle sind wieder empört. Ich bin ehrlich, ich bin es auch – allerdings von der kindischen Reaktion der FU.

Es ist zwar wirklich so, wie der von FU-Präsident zitierte Cem Özdemir in einem Tweet schreibt: hier an der Uni arbeiten Wissenschaftler*innen täglich an Lösungen für die Klima-Krise. Und sie üben seit Jahren Druck auf die Regierung aus, doch niemand hört ihnen zu. Ich bin mir sicher eben jene Wissenschaftler*innen geben einen Scheiß auf die beschmierte Fassade. Einige Berliner Wissenschaftler*innen haben sich auch bereits im Februar mit der Letzten Generation solidarisiert. Die Letzte Generation kriegt nun die Aufmerksamkeit, die die Wissenschaft nie bekommen würde. Und Überraschung: selbst wenn eine große Anzahl der Wissenschaftler*innen nicht mit den Methoden der Letzten Generation übereinstimmen, so kämpfen sie doch letztendlich für dasselbe Ziel.

Wenn Marcel Duchamp 1917 aus einem Pissoir ein Kunstwerk machen konnte, dann kann das die FU heute auch mit ein paar Farbklecksen.

In ihrem offenen Brief fordert die Letzte Generation die Universitäten auf, “sich gegen die zerstörerische Politik unserer Regierung, die uns weiter in die Klimakatastrophe rasen lässt, zu positionieren”. Klingt nicht so schwierig, oder? Davor betonen sie, dass die Wissenschaft schon seit Jahrzehnten vor der Klimakrise warnt. Diese Farbaktion der Letzten Generation muss man nicht gut finden, aber es ist kein Angriff auf die Wissenschaftler*innen, wie Özdemir es darstellen will. Sondern vielmehr eine Aufforderung an die Universitätsleitungen, mehr im Sinne der Wissenschaft zu handeln.

Eine Universität, Standort für Innovation und Fortschritt, sollte sich in so einer Situation nicht wie ein trotziges Kind verhalten, sondern sich hinter seine Forschenden stellen. Vielleicht die eigene Empörtheit einmal zurückstellen und sich nicht angegriffen fühlen.

Wie wäre es denn, im Sinne der Nachhaltigkeit, nicht die Fassade zu ersetzen, nur weil sie jetzt beschmutzt ist? Lasst die Farbe doch einfach dran. Wenn Marcel Duchamp 1917 aus einem Pissoir ein Kunstwerk machen konnte, dann kann das die FU heute auch mit ein paar Farbklecksen.

Die FU hätte auch keine Anzeige erheben sollen. Diese Aktivist*innen lassen sich auf der Straße ins Gesicht schlagen und erstatten dennoch keine Anzeige, weil sie die Wut der Leute verstehen und diese ihre Ziele auch nicht näher bringt. Das ist scheinbar etwas, was die FU nicht kann. Die Wut der Letzten Generation nachzuvollziehen. Ihr müsst die Letzte Generation nicht gut finden, aber aus Rache denen Schaden, die für die gleiche Sache kämpfen? Stattdessen hättet ihr ein Zeichen setzen können!

Eine Institution, die die Letzte Generation nicht sofort verklagt? Das würde doch für Aufmerksamkeit sorgen. Und die könnte man nutzen, um etwas zu sagen. Selber versuchen, Einfluss zu nehmen auf die Klimapolitik.

Einer verpönten Gruppe Aktivist*innen nicht zuzuhören ist das eine, aber der Freien Universität Berlin keine Beachtung zu schenken ist was anderes. Ich bezweifle trotzdem, dass die Regierung dadurch etwas tun würde, aber es wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

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1 Response

  1. Danke für die mutigen Worte! Ich seh’s genau wie Matthis.

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