Das Highlight der FU-Werbesaison ist jedes Semester die Verteilung der Campus-Tüten. Studierende stürzen sich auf die nach Geschlechtern getrennten Werbepakete. Fabienne Bieri wünscht sich mehr kritischen Geist.
Fast so schön wie Weihnachten: Am vergangenen Dienstag fand die alljährliche Verteilung der so genannten Campus-Tüten vor der Mensa in der Silberlaube statt. Papiertüten vollgestopft mit diversen hochnützlichen Werbeartikeln. Von einem dicken Stapel Hochglanzflyer für Fitnessstudios, Versicherungen und Pizzalieferanten über eine Dose Energy Drink Zero bis hin zu Werbestiften beinhaltet die Supertüte alles, was das studentische Herz begehrt. Und die Studierenden stürzen sich auf die Müll-Tüten wie Geier auf verrottendes Aas. Das eigentliche Highlight wird aber nach Geschlecht getrennt: für die Männer Rasierer, für die Frauen ein Ausgabe der Frauenzeitschrift „Maxi“.
Wer auf die Internetseite des Magazins geht – die hier bewusst nicht empfohlen wird – schlagen einem Tipps zur Lippenpflege, Bilder von Schuhen mit besonders untragbar hohen Absätzen und photoshop-bearbeiteter Frauenhaut entgegen. Ist das also die Botschaft an alle Frauen? Ihr habt eine Vagina und euch damit gefälligst für „Mode, Schönheit und Frisurentrends“ zu interessieren?
Ist man mittlerweile schon überempfindlich geworden und sieht überall Sexismus? Nein – gerade solche Vorkommnisse sind kleine, wenn auch subtile Zeichen dafür, dass immer wieder auf Stereotypen zurückgegriffen wird. Es geht doch auch anders. Vor allem unterschwellige Botschaften sollten vermieden werden.
Du Mann, du Frau, mir egal
Sonderlich zu stören scheint es die Meisten aber nicht. Hauptsache, umsonst. So laufen zufriedene und beglückte Studierende mit ihrer frisch erworbenen Beute durch die Uni. Die erfolgreich bestäubten Werbe-Objekte scheint es weder zu stören, dass hier eine unsagbare Menge an Müll produziert wird, noch, dass hier ein Frauenbild von vor fünfzig Jahren bedient wird.
Hinter der Aktion steckt eine Werbeagentur namens Campus Direkt. Sie wirbt mit der bundesweiten Verteilung der Tüten und hat sogar für die Bekanntgabe der Termine eine Facebook Seite kreiert – mit mehr als 33.000 „Likes“. Dort gibt es Videos zu sehen, auf denen Horden schubsender Studierender sich um die heiß begehrten Tüten reißen. Campus Direkt ist nicht der einzige Tüten-Vertreiber, auch der UNICUM Verlag zum Beispiel hat eine eigene Marketing Agentur, die „Promotion-Aktivitäten für andere Auftraggeber ausführt“ und einmal im Jahr auch die „Wundertüte“ verteilt.
Die Agenturen, denen es nichts ausmacht, eine sinnlose Müllproduktion mit überholten Rollenbildern zu betreiben, sind durchaus kritikwürdig. Aber was ist mit den mehr als 33.000 Menschen, die offensichtlich nichts dagegen haben? Dass Konzerne durch Agenturen Werbung machen ist keine Neuigkeit – ebenso wenig, wie dass Werbefirmen gerne Sexismus propagieren. Es ist doch wohl nicht zuviel verlangt, dass sich Studierende ein paar kritische Gedanken darüber machen, was an der Uni verteilt wird, von wem, wie und ob man es so akzeptieren muss. Gerade dann, wenn es nichts kostet.
Anm.d.Red.: Ursprünglich hieß es im Text, die „Frauentüten“ hätten, anders als die „Männertüten“, Reispakete beinhaltet. Diese gab es jedoch in beiden Varianten.
Wirklich guter Artikel!
Zurecht wird ein Mangel an kritischem Umgang mit einem Phänomen diagnostiziert, dass ebenso skurile wie grotesque Bilder von Müllbergen im Umkreis der Campusmülleimer und sich für Werbepräsentkulis durch die gegend schubsende Studies hervorbringt.
“Ist man mittlerweile schon überempfindlich geworden und sieht überall Sexismus?”, fragt die Autorin. Obwohl ich im Allgemeinen diese Frage mit “Nein” beantworten würde, muss ich sie in diesem Fall leider mit “Ja” beantworten.
Mir scheint es als wollte man hier unbedingt einen kritischen Artikel verfassen und sich dabei das vorgenommen, was an der FU immer geht, nämlich Sexismus. Dabei rückte das eigentliche Problem dieser Kampagne in den Hintergrund.
Denn wäre es umgekehrt denn besser gewesen? Den Rasierer für die Frau und den Reis für den Mann? Meiner Meinung nach würde damit genauso viele geschlechter Rollenbilder reproduziert werden wie anders herum, nämlich das der Mann nicht kochen kann und den Reis aus der Tüte mit Anleitung braucht und die Frau bitte immer schön auszusehen hat und nach heutigem Schönheitsideal heißt das, keine Haare irgendwo am Körper zu tragen, außer auf dem Kopf und dort dann aber am besten ganz lange.
Das eigentliche Problem ist also nicht, was sich in den Tüten befindet, sondern dass sie nach Geschlechtern getrennt werden. Das entspricht aber zu hundert Prozent der Werbelogik. Wenn man als Konzern schon Geld für Marketing ausgibt, dann möchte man auch das dieses so erfolgreich wie möglich ist und das heißt, dass man zielgruppen gerichtet wirbt. Aus diesem Grund werden sich in der Studententüte auch nie Prospekte für Treppenlifte finden.
An der Werbebranche gibt es also genug zu kritisieren und an dieser Kampagne erst Recht. Dinge, die schon angesprochen wurden, wie die Umweltbelastung dadurch und das eigentliche Ziel dahinter.
Darüber und über Studenten, die ihr Gehirn ausschalten, sobald es etwas umsonst gibt (apropos: auf der Welt gibt es nichts umsonst, nichtmal FB), kann man einen hervorragenden, kritischen Artikel schreiben. Aber bitte seht nicht überall Sexismus, weil es sich in der Überschrift gut macht. Gebt den Studierenden, die eh schon in Abwehrhaltung gehen kein Futter, um noch öfter zu behaupten, dass gendersensible Menschen überall Sexismus wittern und überreagieren.
FURIOS, ich mag euch, aber bringt die Studierenden an der FU weiterhin zum nachdenken und zeigt ihnen auf, was kritikwürdig ist und wo sie sich selbst hinterfragen müssen. Das ist nämlich weitaus schwieriger als auf die bösen Menschen, die hinter diesen Tüten stecken zu schimpfen. Fragt doch in eurem Artikel: “FU-Studenten warum fallt ihr darauf rein?”. Das ist eine mindestens genauso provokante Überschrift.
Der Reis war auch in Männertüten. Bleibt als Skandal dieses Artikels: Rasierer nur für Männer!!! Unerhört! 🙂
Halte mich selber für kritisch gegenüber Sexismus, aber wir müssen aufpassen, uns durch lächerliche Argumente nicht ans eigene Bein zu pinkeln.