Protest auf der Straße? – „Aber hallo!”

Über Proteste und die neue Rechte – ein Begegnung mit „Alt-68er” Hajo Funke. Von Julian von Bülow und Leonhard Rosenauer

Hajo Funke im Zwiebelfisch in Charlottenburg – 1968 ein Treffpunkt für viele Studierende. Foto: Julian von Bülow

In unserer neuen Heftausgabe porträtieren wir den emeritierten Politikwissenschaftler Hajo Funke. Funke forschte und lehrte bis 2010 am Otto-Suhr-Institut zu Rechtsextremismus und Antisemitismus. Wir trafen den „Alt-68er” einen Tag nach einer großen Demonstration gegen die AFD. Einen Ausschnitt aus unserem Gespräch lest ihr hier.

Furios: 50 Jahre nach den Studierendenprotesten 68 – gehen Sie weiterhin auf die Straße, Herr Funke?

Ja, ich war gestern (Gegendemonstration zur Afd Anm. d. Red.) auch zur Analyse der Afd direkt an deren Bühne. Dort habe ich Jürgen Elsässer getroffen – einen der nach rechts treibenden Kräfte der Afd oder Andreas Kalbitz, den Chef der Afd in Brandenburg – einer der wichtigsten rechtsextremen Strippenzieher.

Das heißt Sie demonstrieren für bzw. gegen das, was sie erforschen?

Natürlich! Ja, aber hallo!

Wie sehen Sie denn die Rolle von Politikwissenschaftler*innen und sich selbst innerhalb einer öffentlichen Debatte?

Für mich ist die Politikwissenschaft immer auch eine Demokratiewissenschaft mit normativem Verständnis. Wir analysieren die Machtverhältnisse und fragen nach den Bedingungen dafür, dass Demokratie und Rechtsstaat überleben und gestärkt werden können. Daraus und aus einem Menschenbild, das andere achtet, das Grundgesetz und die Grundrechte ernst nimmt, betreibe ich Politikwissenschaft. Für mein Verständnis der Wissenschaft, das sich mit der Mehrheit der Politikwissenschaftler entwickelt hat, bedeutet das, dass ich diesen Schwerpunkt des Kampfes für mehr Demokratie und gegen rechts aktiv mittrage.

Stimmt es Sie da nicht pessimistisch, dass die Rechte wieder erstarkt?

Ja, aber sie ist auch begrenzt. Die Afd ist in ihrem 10-bis-12%-Turm in Deutschland. Anderswo ist es anders: Das Phänomen Trump ist weltgefährlich, weltkriegsgefährlich, aber in Deutschland gibt es genügend widerständige, demokratische Kräfte gegen einen völligen Durchmarsch der Afd, da bin ich absolut sicher.

Was macht sie da so sicher?

Die Afd hat machttaktisch einen riesigen Fehler gemacht, sich so weit zu radikalisieren. So ist sie nach rechts nicht mehr abgrenzungsfähig. Die demokratischen Parteien wissen, dass sie mitverloren haben, wenn sie mit denen koalieren. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch sehr viel Rechtspopulismus in den demokratischen Parteien gibt, siehe CSU. Aber betrachtet man die CDU mit Kramp-Karrenbauer und Merkel, sieht man einen Mitte-Kurs. Bei der FDP bin ich schon weniger sicher, ob die changieren. Aber letztlich ist auch die FDP nicht zu einem klassisch rechtspopulistischen Kurs fähig. Das gilt natürlich auch für die Grünen und die Linken. Für die Grünen besonders, weil die ganz weit weg von solchem Rechtspopulismus sind.

In ihrem neuen Buch schreiben Sie, die Jugend sei so politisch wie noch nie. Woran machen Sie das fest?

Was ich sehe ist, dass man an Parteien nicht interessiert ist. Das hat Gründe, die ich verstehe. Was fehlt sind Bewegungsformen, die weit in die Jugend hineingreifen. Es gibt da Ansätze bei Campact oder einem Phänomen wie gestern, da waren auch viele Jugendliche. Das Potential ist sehr groß und die Shell-Jugendstudie, auf die ich mich beziehe, hat darüber hinaus gesagt, worin junge Leute interessiert sind: Sie sind an Umwelt interessiert, sie sind an Menschenrechten interessiert. Was gibt’s Besseres? Und ich weiß von den Jugendlichen, mit denen ich zu tun habe, dass sie auch gegen die Afd auftreten, selbst wenn sie dafür Ermittlungsverfahren einheimsen.

Im letzten Jahr gab es eine Besetzung in der Silberlaube, die damit endete, dass die FU-Leitung die Polizei rief, geräumt und Anzeige erstattet wurde. Ist die Hochschulleitung heute an einem reibungsloseren Ablauf interessiert als während Ihres Studiums?

Ja, das ist ein klares Indiz dafür, ohne dass ich den Fall im Einzelnen kenne. Aber ich habe es am Rande mitbekommen. Ich halte das für fatal. Wir haben uns damals anders verhalten, auch mit einer oft schwierigen FU-Leitung. Wir haben Kompromisse gesucht bei unserer Hochschulbesetzung. Wir konnten die Polizei verhindern, zusammen mit dem Leiter des politischwissenschaftlichen Instituts. Auch später gab es Besetzungen mit Polizeieinsatz, bei denen ich versuchte, zu vermitteln. Wichtig ist, dass beide Seiten eine gewisse Kompromissbereitschaft mitbringen.

Autor*innen

Julian von Bülow

interessiert sich für Politik, Geschichte und Technik. Freier Journalist für Text, Audio und Video. Auf Mastodon und Bluesky erreichbar.

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