What the fuck is happening – ja, was eigentlich?

Eine künstlerische Aufarbeitung der Pandemie und deren Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens hat sich Pauline Hofmann in der Ausstellung Corona Culture – What the fuck is happening?! angesehen.

In der Ausstellung Corona Culture – What the fuck is happening?! setzen sich Kunstschaffende aus der ganzen Welt mit der Pandemie auseinander. Benjamin Langholz, Untitled (Time), 2020. Foto: Pauline Hofmann, Illustration: Joshua Leibig

„Calm the fuck down“ – der erste Satz, den ich höre, weist mich an, mich zu entspannen. Dem versuche ich nachzukommen, indem ich mich auf eine kleine Bank gegenüber der Leinwand setze, auf welche ich die nächsten Minuten angespannt starren werde. Es läuft der Kurzfilm N.O.R.O.C.2.3. von Nina E. Schönefeld. Bilder von leeren Städten, überfüllten Krankenhäusern und Menschen, die dort um ihr Leben bangen, flimmern in schnellem Wechsel über die Leinwand. Mich erinnert es mehr an einen Horrorfilm als an die Zustände der letzten zwei Jahre. Nach Entspannen ist mir gerade gar nicht zumute.

In der Ausstellung Corona Culture – What the fuck is happening?! setzen sich über hundert Kunstschaffende aus der ganzen Welt damit auseinander, wie die Pandemie unser Leben, unsere Wertvorstellungen, Beziehungen und Zukunftspläne beeinflusst und verändert.

Die langen, dunklen Gänge der Alten Münze erinnern nicht an eine Kunstausstellung, sondern eher an eine Mischung aus Technoclub und Geisterbahn. Die Wände sind unverputzt und überall hängen Spinnweben. Am Eingang wurde ich bereits vor der Kälte gewarnt, nicht unbegründet, wie mir jetzt auffällt. Wenigstens habe ich unter der Woche die gesamte Ausstellung für mich allein. Passend zum Thema.

Meere roter Herzen

Während der Lockdowns erfuhren wir, wie es ist, viel Zeit mit sich selbst zu verbringen. Gefangen in einer Endlosschleife aus Social Media, grauen Kacheln auf Bildschirmen und unseren eigenen vier Wänden. Obwohl die Distanz zur Außenwelt nie gänzlich verschwand, hat das Internet dazu beigetragen, dass sie zeitweise überwunden wurde. Es hat uns miteinander verbunden und auf unterschiedlichste Art und Weise näher gebracht. Wir studierten über Zoom und Webex, trafen uns über Discord und entdeckten mal gewollt, mal gezwungenermaßen neue Programme.

Gefangen in der Monotonie des Lockdowns sind Yoga in der Küche und ab und an in ein Kissen zu schreien nachvollziehbare Aktivitäten. Manon Quimet X Susanna Dye, Meet Me Where I Am, 2020. Foto: Pauline Hofmann

Viele der Kunstschaffenden setzen sich mit der Rolle des Internets während der Pandemie auseinander. So auch Ellie Hain in Zusammenarbeit mit der Instagram-Seite berlinausländermemes. „Locked in our homes, locked in our phones, locked in the Internet.“ So beschreiben sie, welche Rolle Memes während der Pandemie spielen. Drei Bildschirme zeigen unaufhörlich bunte Bildchen. Es ist kaum möglich, etwas zu erkennen. Jedoch vermute ich, dass ich bereits während der Lockdowns jeweils zweimal auf meinen eigenen Bildschirm getippt habe, um ein kleines rotes Herz in einem Meer aus roten Herzen zu hinterlassen.

Die vergessene Krise

Während sich die Nachrichten überschlugen, in denen steigende Zahlen das beherrschende Thema waren, wurden andere Krisen zu einer Randnotiz. Unter anderem auch die lebensgefährliche Flucht von Menschen aus verschiedensten Ländern.

Ich stehe auf einer Brücke im begehbaren Mittelmeer, in einem Raum, der von Sea-Watch geschaffen wurde. Auf den Boden und die Wand werden Videos projiziert. Szenen von Menschen, die ihr Leben riskieren. Die einen, weil sie keine andere Wahl mehr hatten, die anderen, um sich eine Chance auf ein besseres Leben zu ermöglichen – und dazwischen die Seenotretter*innen, die diese Chance verwirklichen wollen. Die Brücke, auf der ich stehe, vibriert. Die Installation lässt das beängstigende Gefühl erahnen, inmitten des Geschehens zu sein. Ich kann die Angst in den Augen der Menschen sehen, mir wird ganz flau im Magen. Hier wird von einer vergessenen Krise berichtet. 

Das begehbare Mittelmeer, geschaffen von Sea-Watch, nimmt den Zuschauenden durch mehrere Sinne mit zum Ort des Geschehens. Sea-Watch, Das begehbare Mittelmeer, 2015–2021. Foto: Pauline Hofmann

Es ist kaum möglich, alle Aspekte einer weltweiten Pandemie in einer Ausstellung abzudecken. Jedoch gelingt es den Kunstschaffenden, die Folgen der Pandemie durch verschiedenste Ansätze zu reflektieren und eine Aufarbeitung anzustoßen. Es ist ein äußerst lohnenswertes Erlebnis, auch für all diejenigen, die bereits von Corona-Lethargie übermannt wurden. 


Die Ausstellung Corona Culture – What the fuck is happening?! ist in der Alten Münze noch bis zum 21. November geöffnet. Für Studierende kosten die Tickets 5,50 Euro.

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