Hinterm Horizont geht’s weiter

Endlich ist das Deutschlandticket auch für Berliner Studierende da! Das hilft nur leider unserem Autoren Matthis Borda nicht mehr. Auf seiner Bahnreise gesellen sich schöne Träume zu Verwirrung und Unverständnis. Ein Kommentar.

Auf einer Bahnreise könnte alles so schön sein. Foto: Unsplash.

Es ist Donnerstag, der 25. Mai, ein sonniger Tag, und auch wenn die U3 bereits mehrfach im Berliner Dahlem Dorf aus- und wieder eingefahren ist, sitze ich nicht in einem der schnittigen gelben Waggons – sondern im giftgrünen Flixtrain nach Leipzig. Es ist eng, laut und warm. Die Wärme drückt mich in meinen Sitz wie eine Gewichtsdecke und mir fallen immer wieder die Augen zu. Ich erinnere mich zurück an letztes Jahr: Frühmorgens stieg ich in meine Regionalbahn am Ostbahnhof und tuckerte gemächlich nach Leipzig, dann weiter aufs Land hinaus. Alle Reisenden waren gut drauf, schließlich konnte man zum ersten Mal günstig Bahn fahren und dann auch noch an einem langen Wochenende! Es war die Zeit des Neun-Euro-Tickets. Und ich fuhr quasi umsonst. Studierende konnten mit ihrem Semesterticket durch ganz Deutschland fahren, und das Geld, das sie sonst für ihr Semesterticket blechen mussten, bekamen sie zurück. Easy! Kaum zu glauben, dass das funktioniert hat. Gut, die Bahn hatte nicht ausreichend Züge, sodass alles überfüllt war – aber dafür störten Punker*innen Christian Lindner bei seiner Hochzeit auf Sylt. Das ist doch auch was.

Naive Hoffnungen

Nun gibt es das Neun-Euro-Ticket leider nicht mehr. Als ich Anfang des Jahres erneute meine Reise aufs sächsische Land plante, dachte ich mir noch voller Hoffnung: Ach, das 49-Euro-Ticket werden sie bestimmt wieder für Studierende mit dem Semesterticket verrechnen und ich muss mich um gar nichts kümmern. Also habe ich gewartet, noch keinen günstigen ICE der Deutschen Bahn zum Super-ultra-mega-billig-Sparpreis gebucht.

Erst im April, weniger als einen Monat vor Start des Deutschlandtickets, las ich die gute Nachricht: Es soll eine Upgrade-Lösung für Studierende kommen. Studis könnten einfach die Differenz zwischen ihren monatlichen Semesterticket-Gebühren und den 49 Euro bezahlen und so das Deutschlandticket nutzen. Angeblich seien sich die Verkehrsbetriebe da einig. Voller Vorfreude, nur 16 Euro bezahlen zu müssen, wartete ich wieder ab. Denn ab dem ersten Mai sollte diese Regelung in Kraft treten.

Was lange währt, wird endlich…

Der erste Mai kommt, die gute Nachricht bleibt aus. Die Verkehrsbetriebe konnten sich doch nicht einigen, und ich ertränke meinen Kummer in Dosenbier auf der Maiwanderung in meinem Heimatdorf. Wir Studierenden wurden wieder einmal vergessen – erst in der Corona-Politik, dann warten wir monatelang auf unsere Energiepauschale und dann, ja dann warten wir mit der Reiseplanung, als wir auf ein günstiges Deutschlandticket hoffen, und wir werden enttäuscht.

Vereinzelt bieten die Verkehrsanbieter Vergünstigungen für Studierende an, häufig die besprochene Upgrade-Lösung. Später erfahre ich das Unglaubliche: Berlin wird dies nach einiger Verzögerung auch umsetzen: Zum ersten Juni, also einen Monat zu spät (und doch nicht wie erst angekündigt mit einer App, sondern über einen Link auf der Uni-Website) kann das Semesterticket geupgradet werden. Für meine Fahrt kommt es dann sowieso zu spät, aber ich würde es meinen Komiliton*innen durchaus gönnen, ihre Familien und Freunde außerhalb Berlins für 16 Euro im Monat besuchen zu können. Ich bin überhaupt überrascht, dass diese Funktion wirklich da ist, offiziell angekündigt wurde sie als Deus ex Machina (lateinisch, zu deutsch: Gott aus der Maschine) für zitternd hoffende Studierende weniger als eine Woche vor Startbeginn.

Neue Lösungsansätze

Anscheinend versuchen die Länder sich für’s nächste Semester auf ein deutschlandweites Semesterticket zu einigen. Andererseits könnten einige Berliner Studierende auch vollständig in die Röhre schauen und überhaupt kein Semesterticket erhalten. Dann bliebe ihnen nur noch das normale Deutschlandticket. Statt des angestrebten Vollsolidarmodels in Höhe von 29,40 Euro im Monat für ein bundesweites Semesterticket über das die Bundesländer derzeit diskutieren, blechten Studis ohne Semesterticket dann den vollen Betrag von 49 Euro.

Noch ist nichts in Stein gemeißelt. Niemand weiß, ob sich diese Vorschläge durchsetzen werden. Wenn ihr also einen Urlaub plant und das vergünstigte Deutschlandticket nutzen wollt, wünsche ich euch viel Glück. Dankt mir später. Und nur weil ihr es buchen könnt, heißt das ja noch lange nicht, dass die Bahn auf einmal zu einem verlässlichen Verkehrsmittel wird. Hauptsache euch geht es nicht wie mir. Denn dann steigt ihr aus dem überfüllten Flixtrain, um in die Regionalbahn zu wechseln, die auf halber Strecke stecken bleibt, dessen Anzeigetafeln kaputt sind, die Sprechanlage auch, es stockfinster draußen ist und ihr keine Ahnung habt, wo zum heiligen Deutschlandticket ihr euch gerade befindet.

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